Geistliche unter gewaltigem Dach
Autor: Elisabeth Görner
Forchheim, Dienstag, 25. Oktober 2016
Der Archivdirektor und Leiter des Stadtarchivs Erlangen berichtet bei den Altstadtfreunden "Aus der Geschichte des Kollegiatstiftes St. Martin Forchheim". Die Gemeinschaft unterscheidet sich aber von Ordens-Mönchen.
"Forchheim war schon ein Kaliber damals", war einer der ersten Sätze des Referenten und etwas später: "Obwohl ich schon viele ähnlich alte gotische Kirchen gesehen habe, so hat mich kaum eine andere so beeindruckt wie die Forchheimer St.-Martinskirche mit ihrem gewaltigen, wuchtigen Dach."
Wenn das ein in der Geschichte bewanderter Fachmann sagt, Andreas Jakob, Archivdirektor und Leiter des Stadtarchivs Erlangen, dann heißt das was. In seinem Vortrag "Aus der Geschichte des Kollegiatstiftes St. Martin Forchheim", zu dem der Arbeitskreis Altstadtfreunde (Unterabteilung des Heimatvereins) in den Gewölbekeller der Kaiserpfalz geladen hatte, verglich der Referent immer wieder Forchheim mit Erlangen. Dabei hob er das weit höhere Alter und die Ehrwürdigkeit der Stadt hervor, die Heinrich II.
im Jahre 1007 dem im selben Jahr gegründeten Bistum Bamberg als Ausstattung schenkte.
Wichtige Urpfarrei
Beim Aufbau dieses neuen Bistums spielte Forchheim, besonders in kirchenorganisatorischer Hinsicht, eine wichtige Rolle durch die alte Urpfarrei St. Martin. Die Kirche selbst gehörte allerdings noch zum Hochstift Würzburg. Kaiser Otto II. hatte sie anno 976 seinem Vetter Poppo II., der damals Bischof von Würzburg war, geschenkt - zusammen mit den Martinskirchen in Eggolsheim und Erlangen. Erst 1017 tauschte der Bamberger Bischof Eberhard die Forchheimer Martinskirche wieder ein.Nachdem 1328 eine "Frühmessstiftung" erfolgt war, bat schon der Fürstbischof Friedrich von Hohenlohe den Papst Clemens VI. um Erlaubnis, die Pfarrei durch ein Kollegiatstift zu erweitern, was aber erst 1354 durch den Fürstbischof Leupold von Bebenburg geschah. Aber was versteht man unter einem Kollegiatstift? Es handelt sich um eine Gemeinschaft von Geistlichen, die zusammen leben, beten und Gottesdienste halten, die aber als Weltgeistliche von Mönchen mit Ordenszugehörigkeit klar zu unterscheiden sind. Dennoch steht auch dem Stiftskapitel ein Probst voran. Sie wohnten in acht Häusern, den Chorherrenhöfen, in der Martinsstraße, wo auch die zum Stift gehörende Schule (heute Nr.7a) lag. Die Lehrer waren Bedienstete,, moderner ausgedrückt: Angestellte des Kollegiatstiftes. Die im 14. Jahrhundert begonnene dreischiffige Kirche im hochgotischen Stil ist wegen des höheren Mittelschiffs eine Pseudobasilika; der riesige Dachraum wurde wohl zeitweise als Getreidespeicher genutzt. Es ist schon die dritte Kirche an dieser Stelle. Von ihrer Vorgängerin, einem spätromanischen Gotteshaus des frühen 13. Jahrhunderts, existieren noch Reste eines Querschiffs und eine Krypta darunter. Anlässlich des Heizungsbaus Mitte der 1950er Jahre sind diese entdeckt worden. Man hat 50 Kubikmeter Gebeine und Schädel von dort über Jahrhunderte abgelegten Chorherren vorgefunden und sie dann auf den alten Friedhof an der Birkenfelderstraße überführt.
Die St.-Martinskirche spielte für das Kollegiatstift seit seiner Gründung 1354 eine sehr große Rolle. Aber sie war eine Bürgerkirche, und ihr vergleichsweise sehr hoher Turm gehörte sogar eigentümlicherweise zunächst der Stadt. Deshalb lautet auch der Titel des entsprechenden Buches von Andreas Jakob: "Das Kollegiatstift bei St. Martin in Forchheim, Grundlagen zur Geschichte von Stift und Pfarrei in der zweiten Hauptstadt des Hochstifts Bamberg".
Reich oder arm?
Trotz der gespendeten Geldsummen für Gottesdienste brauchten die Mitglieder des Stiftes auch "normales" Einkommen.
Zur Zeit des Lehen- und Zehntwesens bekamen sie größtenteils den "Naturalzehnt" von den Bauern. Ein Forchheimer Dekan erhielt etwa 600 Gulden pro Jahr, was umgerechnet weit weniger ist, als etwa ein Erlanger Professor heute bekommt. Aber man kann - nach Aussage von Andreas Jakob - nicht mehr beurteilen, ob so ein Dekan damals arm oder reich war.
"Lebküchnerin" als Frau
Mit dem Zölibat nahmen es die Geistlichen nicht so genau, wie Jakob in den zusammengetragenen Personallisten zum Kollegiatstift berichtet. Auf Geheiß des Bischofs sollte etwa Samuel Eucharius, Dekan von 1604 bis 1612, sich von einer Frau, die nur als "Lebküchnerin" bezeichnet wird, trennen.
Aber er weigerte sich zunächst, musste eine Strafe bezahlen und wurde schließlich nach Kärnten strafversetzt.Das Kollegiatstift Forchheim wurde schließlich immer mehr zu einem Altersheim für nicht mehr zu ihrem Dienst fähige Priester. Im Rahmen der Säkularisierung in Bayern (1803) wurde das Stift aufgelöst.