Gefangene zur Arbeit gezwungen
Autor: Manfred Franze
Ebermannstadt, Sonntag, 29. Mai 2016
Während des Ersten Weltkrieges waren in Forchheim und der Fränkischen Schweiz russische und französische Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz. Fluchtversuche bekamen die Behörden nie in den Griff.
Während des Ersten Weltkriegs lebten in Deutschland insgesamt 2 520 983 ausländische Kriegsgefangene. Erstmals berichteten die örtlichen Tageszeitungen im Dezember 1914 von ausländischen Kriegsgefangenen.
Über die Hälfte der Gefangenen waren Russen (1 434 529) und ein Fünftel Franzosen (535 000). Die Kriegsgefangenen waren den stellvertretenden Generalkommandos der jeweiligen Armeekorps unterstellt, in Bayern waren das die Militärbehörden in München, Würzburg und Nürnberg.
Sie richteten ein flächendeckendes Lagersystem ein, von dem aus die Kriegsgefangenen zum Arbeitseinsatz in Industrie und Landwirtschaft verteilt wurden.
Sie wurden dringend benötigt, weil über 80 Prozent der wehrfähigen deutschen Männer Kriegsdienst leisten mussten.
"Gestern fuhr wieder ein Zug unverwundeter russischer Gefangener, wohl an die 2000 Mann, durch den Forchheimer Bahnhof", berichtete der Wiesent-Bote im Dezember 1914, "sie blickten gar neugierig aus den Öffnungen der Güterwagen auf die für sie fremde deutsche Welt." Wohin sie transportiert wurden, blieb unbekannt.
In der Region gab es in Erlangen und Bayreuth sogenannte Mannschaftslager für einfache Soldaten. Offizierslager wurden auf der Kulmbacher Plassenburg, in der Kronacher Festung Rosenberg und der Wülzburg bei Weißenburg eingerichtet.
Der spätere französische Staatspräsident Charles de Gaulle verbrachte 1917 als Kriegsgefangener vier Monate auf der Festung Rosenberg, unternahm hier zweimal Fluchtversuche und landete 1918 schließlich bis zum Kriegsende auf der Wülzburg.
Den russischen Kriegsgefangenen ging es am schlechtesten. Im Gegensatz zu den Franzosen und den Engländern erhielten sie keine Hilfspakete aus ihrer Heimat und litten große Not. Wiederholt berichten die Heimatzeitungen über Fluchtversuche. Im April 1916 wurden bei Bischberg zwei entflohene Russen festgenommen, die sich bei ihrer Festnahme mit Messern wehrten, sich aber ergaben, als ein Bauer den einen Ausreißer mit einer Haue niederschlug.
Zwei Monate später fasste die Gendarmerie in Egloffstein zwei aus dem Gefangenenlager Bayreuth entwichene russische Kriegsgefangene.
In Freienfels wurde im Juli 1917 ein Russe aufgegriffen, der fünf Tage lang nichts gegessen hatte und so erschöpft war, dass er ins Krankenhaus Hollfeld eingeliefert werden musste.
Aus Wannbach geflüchtet
Die Fluchtversuche waren ein Dauerproblem, das die deutschen Militärbehörden während des gesamten Kriegs nie so richtig in den Griff bekamen. Nach einer amtlichen Statistik gab es bis zum 10. Juni 1918 in Deutschland insgesamt 313 400 Fluchtversuche, von denen 67 565 erfolgreich verliefen. In unserer Region flüchteten Kriegsgefangene aus den Arbeitskommandos in Wannbach, Ebermannstadt, Stechendorf und Huppendorf. Ein Teil von ihnen wurde schon nach wenigen Tagen gefasst.Ab 1915 wurden die ausländischen Kriegsgefangenen aus den Sammellagern in sogenannte Arbeitskommandos gebracht, um vor allem in der Landwirtschaft fehlende Arbeitskräfte zu ersetzen. Bewacht wurden sie von älteren Landsturm-Reservisten, die rund um die Uhr für sie zuständig waren, dies aber natürlich gar nicht leisten konnten.
Als im August 1915 französische Kriegsgefangene im Aischgrund zu Feldarbeiten eingesetzt wurden, stellte sich heraus, dass einer von ihnen bei einem Bauern arbeitete, dessen Sohn gleichfalls als Kriegsgefangener bei den Eltern des Franzosen tätig war.
Zehn Gefangene für Heiligenstadt
Einen Monat später trafen in Burggrub unter Führung eines Landsturmmannes acht französische Gefangene zum Einsatz auf dem Stauffenbergischen Gut ein. Da dies die ersten Gefangenen waren, - so der Wiesent-Bote - erregten sie begreiflicherweise Aufsehen. Im November 1915 erhielt Heiligenstadt zehn französische Kriegsgefangene zu Wegverbesserungs- und sonstigen Arbeiten.
"Die Gefangenen sind im hiesigen Gemeindebereich untergebracht und werden von Privatpersonen verköstigt", meldete die Zeitung. Die Franzosen stellten 1917 über die Hälfte der insgesamt 91 776 Kriegsgefangenen in Bayern. Wie viele es in der Region waren, ist unbekannt. Nach einer Meldung im Wiesent-Boten traten aber allein in Ebermannstadt im Mai 1917 über 100 gefangene Franzosen aus dem Amtsgerichtsbezirk auf dem Marktplatz zu einem Gefangenen-Appell an.
In Forchheim überzeugte Bürgermeister Reinhard den Magistrat zur Errichtung eines Gefangen-Depots im Zeughof an der Bamberger Straße. Von Mitte 1917 an wurde ihnen sogar erlaubt, die städtische Badeanstalt täglich abends von 8 bis 9 Uhr zu benutzen. Offensichtlich verkehrten sie trotz Verbot auch in den Gasthäusern. Gegen den Hotelbesitzer Neumeyer wurde die Anklage erhoben, heißt es im Sitzungsprotokoll des Magistrats vom 31. Mai 1917, als ob er in seiner Wirtschaft geduldet habe, dass an Kriegsgefangene Lebensmittel in größerer Menge verabreicht wurden. Wegen dessen guten Rufs verzichtete der Magistrat auf eine Anzeige, obwohl auch in anderen Wirtschaften Kriegsgefangene schon Einkehr hielten. Einstimmig beschloss der Magistrat aber dann energische Maßnahmen zur Einschränkung der Freiheit der hier untergebrachten Kriegsgefangenen zu ergreifen.