Gaudiwurm steht schon den Startlöchern
Autor: Bettina Knauth
Seßlach, Freitag, 09. Februar 2018
Der Umzug durch die Seßlacher Altstadt zählt zu den Höhepunkten während der Faschingszeit in der Region. Beim der 50. Auflage am Dienstag werden 30 ehemalige Tollitäten und ein rotes Auto Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wecken.
"Seßlach Helau!": Wenn am kommenden Faschingsdienstag dieser Ruf wieder vielstimmig durch die historische Altstadt schallt und Tausende Besucher erwartungsvoll die Straßenränder säumen, dürfen sie sich auf einen besonderen Umzug freuen: Zum 50. Mal wird sich der "Gaudiwurm" durch Seßlach schlängeln.
Als dessen Keimzelle gilt ein kleines rotes Auto: Josef "Jupp" Autsch hatte es gemeinsam mit seinem Bruder Eberhard und Otto Rittsteiger für Gerd, den Sohn ihres Chefs Otto Hoffmann, gebastelt. Die gelernten Schlosser bauten einen Metallrahmen, den der Schreiner Rittsteiger mit Sperrholz füllte. An der Hinterachse saß ein E-Motor, als Gaspedal diente ein Relais. "So hatte ich praktisch schon vor 50 Jahren ein E-Auto", erinnert sich Hoffmann lachend. Damit der kleine Junge damit auch spazieren fahren konnte, organisierten die Brüder am Faschingsdienstag den ersten kleinen Umzug. Doch nicht mit dem roten Flitzer, sondern mit einem Kleinschlepper, "ähnlich einem Rasenmäher-Bulldog", führte Hoffmann laut Eberhard Autsch im Jahr 1967 den Premierenzug an, gefolgt vom Seßlacher Kindergarten. Sie bildeten den ersten bescheidenen Gaudiwurm für Kinder.
Den ersten "richtigen" Faschingszug veranstalteten die Seßlacher 1971, dem Jahr, in dem Heinz Winkelmann den Faschingsverein aus der Taufe hob. Gemeinsam mit Blanka Baumgärtner (geborene Schoder) ging Winkelmann in die Annalen des Vereins ein, als erstes Prinzenpaar Henry I. und Blanka I. Neben Winkelmann forcierte vor allem Jupp Autsch das närrische Treiben: "Als Initiator animierte er die Leute zum Mitmachen und lieferte Ideen für den Bau von Festwagen", würdigt Eberhard seinen verstorbenen Bruder. Aufgegriffen wurden aktuelle lokale wie überregionale Themen. Winkelmann erinnert sich an "tolle Wagen", wie die "Großkopferten" oder einen überdimensionalen Storch. Von den Flügen zum Mond inspiriert wurden Raumschiffe nachgebaut, zum Ende der Ära von Willy Brandt ein qualmender, sinkender SPD-Dampfer. Neben Fahrzeugen aller Art sorgten kreative Kostüme für ein buntes Bild. Der 73-Jährige gerät ins Schwärmen: "Alle Verkleidungen waren selbstgenäht!" In ihren farbenprächtigen Gewändern zogen von Anfang an Frauengruppen die Blicke auf sich, etwa als Mexikanerinnen oder weibliche Gardeoffiziere. Da sich von Jahr zu Jahr immer mehr Mitstreiter wie Gäste einfanden, etablierte sich Seßlach zusehends als Faschingshochburg im Coburger Land. 2005 befand sich das Städtchen "im Ausnahmezustand", das CT berichtete von 10 000 begeisterten Zuschauern. Nur 1991 schauten die Fans in die Röhre: Wegen des Golfkriegs fielen alle närrischen Veranstaltungen aus.