Für Biafra ihr Leben riskiert
Autor: Redaktion
Herzogenaurach, Montag, 29. Juni 2020
Die Herzogenauracherin Helga Stößel hat vor 50 Jahren den Kindern im Kriegsgebiet von Biafra geholfen. In Libreville (Gabun) wurde das "Haus Herzogenaurach" errichtet. Auch Hans Meister unterstützte die heute 80-Jährige.
Es war der blutigste Konflikt Afrikas. Reportagen und Bilder vom qualvollen Sterben der Kinder in Biafra lösten die größte Mobilmachung zu humanitären Zwecken nach dem Zweiten Weltkrieg aus: Junge Menschen liefen mit Sammelbüchsen von Haus zu Haus. Unterstützergruppen fanden zusammen. Ein breites Spektrum von Menschen wollte helfen.
Sie verkauften selbst gebackenen Kuchen und gebasteltes Kunsthandwerk für den guten Zweck. Kirchliche Hilfsorganisationen schickten neben Nahrungsmitteln und Medikamenten auch dringend benötigte Helfer nach Afrika. Einige riskierten sogar ihr Leben.
Die Herzogenauracherin Helga Stößel war eine von ihnen. Ihr Hilfseinsatz führte sie 1969 mitten ins Kriegsgebiet. Helga Stößel hat überlebt, doch bei der humanitären Hilfsaktion fanden 122 biafranische sowie 35 europäische und amerikanische Helfer den Tod, darunter 17 Piloten.
Wenig Verständnis
"Natürlich haben alle gesagt, dass ich verrückt bin, und es gab auch sicher mehr als ein Dutzend guter Gründe, die gegen den Einsatz in Afrika sprachen. Aber ich war davon überzeugt, dass man etwas tun muss." Helga Stößel, die inzwischen überwiegend in Wien lebt, hat etwas getan und sie sagt heute, dass sie diese Entscheidung nie bereut hat. Doch damals zeigten nur wenige Menschen in ihrem Umfeld Verständnis. "Die Neger hammer auf der Dult für a Fuffzgerla angschaut und du willst nach Afrika?", war noch einer der gemäßigteren Kommentare, die sie zu hören bekam.
Helga Stößel hatte nach der Ausbildung zur Lehrerin an Volksschulen ein Theologiestudium in Würzburg begonnen. Der christliche Hintergrund verband sie mit Hans Meister, der 1969 zum Motor einer bis dahin in der Aurachstadt beispiellosen Spendenaktion wurde. Auf dem Weg zur Arbeit an der Carl-Platz-Schule hatte der Lehrer auf der Straße ein Flugblatt mit dem aufrüttelnden Bild eines Biafra-Kindes aufgelesen. Es war achtlos weggeworfen, mit einem schmutzigen Schuhabdruck darauf.
40 000 DM an Spenden
Das Thema ließ ihn nicht mehr los. Im "Singkreis", einer losen Gruppierung von jungen, kirchlich engagierten Herzogenaurachern, fand er Gleichgesinnte. Mit einer Briefaktion mobilisierten sie die Öffentlichkeit. "Was macht ihr für Biafra?" lautet ihre Frage, mit der sie auch den Bamberger Diözesanrat auf seine "christliche Verantwortung zu helfen" aufmerksam machten. Bis zum Ende des Jahres 1969 kamen allein in Herzogenaurach 40 000 Mark an Spendengeldern zusammen. Mittel, die in das "Haus Herzogenaurach" im Kinderdorf Libreville im Nachbarland Gabun flossen, wo die mittels einer Luftbrücke ausgeflogenen Kinder medizinisch betreut und aufgepäppelt wurden. Die Luftbrücke und die Hilfsaktionen haben damals unzähligen Menschen in Biafra das Leben gerettet.
Mitten im Urwald
Helga Stößel, die sich zunächst für die Dauer eines halben Jahres als Helferin verpflichtet hatte, landete im März 1969 in Libreville, wo Caritas und Diakonisches Werk in einer ökumenischen Gemeinschaftsaktion eine ganze Barackensiedlung mit Unterkünften, Schule und einem Krankenhaus zur Versorgung schwerst kranker, stark unterernährter Kinder aus dem Boden gestampft hatten.