Frust führt in den Abgrund
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Freitag, 30. November 2018
Ein junger Asylbewerber, der in der JVA Ebrach seine Zelle in Brand setzen wollte, muss - auch aufgrund weiterer Delikte - für dreieinhalb Jahre hinter Gitter.
Im März 2018 hatte ein 18-jähriger Somalier in der JVA Ebrach in seiner Zelle ein Feuer gelegt, die Löscharbeiten behindert und dadurch im Kauf genommen, dass die Justizbeamten Atembeschwerden, Schürfwunden und einen Bluterguss davontrugen. Im Anschluss hatte er zwei von ihnen noch als "Nazis" beleidigt. Vor dem Amtsgericht Bamberg bekam er dafür und für frühere Delikte eine Einheitsjugendstrafe von dreieinhalb Jahren.
Irgendwie riecht es kurz nach dem Frühstück auf dem Zellengang nach verbranntem Papier. Der Gefängniswärter reagiert schnell. Schon hat er die Quelle des Qualms ausgemacht. In einer Einzelzelle brennen ein Papierstapel und die Matratze. Er holt einen Wasserschlauch, um den Brand zu löschen. Nur lässt sich die Türe nicht öffnen. Später wird man feststellen, dass eine Sperrholz-Pinnwand und ein Wäschekorb so geschickt eingesetzt wurden, dass der Zugang verbarrikadiert war.
Also versucht der Justizangestellte, mit dem Strahl durch die kleine Öffnung zu zielen, durch die sonst das Essen hineingereicht wird. Nur dringt das Wasser nicht zum Brandherd durch. Dafür sorgt der Gefangene, der sich direkt vor die Kostklappe gestellt und die Arme ausgebreitet hat. Weitere JVA-Mitarbeiter kommen zu Hilfe, sie treten nun mit Gewalt die Türe ein. Dabei verletzt sich einer am Bein und trägt einen ziemlich großen Bluterguss davon. Die anderen haben zu tun, um den sich wehrenden Zelleninsassen unter Kontrolle und in Sicherheit zu bringen. Denn mittlerweile kann man vor lauter Rauch kaum mehr die Hand vor Augen sehen.
Es geht abwärts in einen besonders gesicherten Haftraum, in dem man keinen großen Blödsinn anstellen kann. Dort beleidigt der Inhaftierte seine Retter als "Nazis" und droht ihnen: "Wenn ich euch draußen erwische, bringe ich euch um!" Wie einer der Justizbeamten aussagt, seien das Standardsätze, die man nicht so ernst nehmen dürfe. "Eine Stunde später sind sie wieder ruhig." Man brauche hinter Gittern eben ein dickes Fell. "Diese Nazi-Beleidigung haben wir so oft."
Dass es sich um einen Selbstmordversuch gehandelt haben könnte, daran glaubt nicht einmal Rechtsanwalt Thomas Drehsen (Bamberg). Obwohl sein Mandant darin bereits einige Erfahrung hat. Zwei Mal versuchte der Angeklagte bereits, sich das Leben zu nehmen. Einmal als er erfuhr, dass die islamistische Al-Shabaab-Miliz am Horn von Afrika auch noch seinen dritten und letzten Bruder ermordet hatte. Und dann, als seine traumatischen Erlebnisse aus Folter und Demütigung während der Haft in Libyen wieder an die Oberfläche kamen. Das Spiel mit dem Feuer sei vielmehr dem Frust und der Langeweile entsprungen. "Er war 21 Stunden in der Zelle. Ohne Arbeit, ohne Sport, ohne Ablenkung. Da kamen die schlimmen Erinnerungen wieder hoch."
Dunkle Vergangenheit
Vor dem Jugendschöffengericht unter Vorsitz Martin Waschners ist der Angeklagte geständig. Ihn holt jedoch seine dunkle Vergangenheit ein, die ihn erst nach Ebrach gebracht hat. Die beginnt 2015 mit einer unerlaubten Einreise als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling. Ein Jahr später fällt er mit fahrlässiger Trunkenheit, Sachbeschädigung, versuchter gefährlicher Körperverletzung, mehrfacher vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung auf: In der Asylunterkunft Amlingstadt hatte er zuvor einem Mitbewohner mit der Faust ins Gesicht geschlagen, dann mit einer abgebrochenen Glasflasche herumgefuchtelt und einen Betreuer vor Ort am Knie verletzt. In Waldkirchen hatte er sodann einen Tankwart mit einer zerbrochenen Glasflasche bedroht.
Wenig später war die Asylunterkunft in Viereth-Trunstadt der Schauplatz für einen Angriff mit einer abgebrochenen Glasflasche. Es gab Verletzungen an Kinn und Oberkörper. Bei allen Vorfällen war der Somalier angetrunken oder betrunken.