Mit dem Programm "Möhrenzwerge und Sportskanonen" möchte die Hauswirtschaftlerin Kerstin Haas die Ernährungsbildung in den Grundschulen etablieren. Für das Projekt wird ein Träger gesucht.
Scharf anbraten oder mäßig kochen lassen, Sahne steif schlagen und die Soße binden - unsere Kinder verstehen nur Bahnhof. Nach der Schule einen Döner, abends gibt's die Pizza aus dem Tiefkühlfach. Neun von zehn Kindern essen jeden dritten Tag Fertiggerichte. Kochen mutiert zum Erwachsenen-Luxusevent mit Freunden, Kinder dürfen vielleicht mal zu einem Kochkurs in die VHS.
Die Gründe für diese zweifelhafte Entwicklung sind vielfältig, die Auswirkungen katastrophal. Hauswirtschafterin Kerstin Haas will mit ihrem Projekt "Möhrenzwerge und Sportskanonen" entgegensteuern. Sie setzt da an, wo Ernährungsbildung beginnt: in der Grundschule. Genau da, wo die Brotboxen mit Süßigkeiten und Weißbrot gefüllt sind, kaum Obst und Gemüse gegessen wird und die Getränke übermäßig gesüßt sind. Seit Jahren macht sie bei verschiedenen Kochprojekten in der Schule solche Beobachtungen.
"Die Ernährung von Kindern und der Umgang mit Nahrungsmitteln von klein auf in der Küche wird zunehmend wichtiger. Immer weniger Eltern kochen noch täglich zu Hause, deshalb verlieren Kinder immer mehr den Bezug zu Lebensmitteln. Sie wissen oft nicht mehr, woher die Lebensmittel kommen, wie sie heißen, wachsen und gar zubereitet werden", kritisiert die Hauswirtschafterin, selbst Mutter einer Tochter. Jedoch sei das Wissen über Ernährung und die Zubereitung der Nahrungsmittel grundlegend, um dem Nachwuchs eine gesunde Zukunft zu ermöglichen. Das Thema Kochen, Genuss, Fühlen, Schmecken und Riechen müsse für Kinder deswegen auch in der Grundschule wieder präsenter werden. Im Vormittagsunterricht sei jedoch eine regelmäßige und nachhaltige Ernährungserziehung nicht möglich, weiß Kerstin Haas. Deshalb zielt ihr Programm auf die gebundene Ganztagsschule ab. "Hier kann eine Doppelstunde die Woche der Rhythmisierung des Unterrichts dienen."
Regelmäßig kochen
Zur Zeit gibt es in Coburg Stadt und Land überwiegend Regelklassen mit einer Mittagsbetreuung oder offene Ganztagesschulen. Ein Großteil der Grundschüler wird nach dem Unterricht in der Schule weiterbetreut. Hier will das Projekt "Möhrenzwerge und Sportskanonen" ansetzen und die Kinder durch die komplette Grundschulzeit begleiten.
Pro Woche werden die Schüler in einer Doppelstunde unterrichtet. Die Klasse wird geteilt, eine Gruppe geht zum zusätzlichen Sport und eine Gruppe zum Kochen. In der Sporteinheit geht es um Kondition, Koordination und Teamgeist. Den Unterricht leiten Übungsleiter aus Coburger Vereinen. Astrid Hess vom TV Ketschendorf ist bereits mit im Boot. Pro Schuljahr sind zwei bis drei Besuche zum Schnuppertraining in verschiedenen Vereinen geplant.
Der Kochunterricht besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Je nach Alter und Wissensstand lernen die Kinder unverarbeitete Grundnahrungsmittel kennen. Der praktische Umgang mit Küchengeräten, Arbeitstechniken und das Umsetzen von Rezepten sind Bestandteile. Geplant sind auch Ausflüge zu heimischen Bäckern und Metzgern.
"Mir ist es wichtig, die Eltern von Anfang an mit einzubinden", sagt Kerstin Haas. So wird es einen Ordner mit Rezepten und Bewegungsspielen geben, der in der Familie bleibt. "Für den Anfang möchten wir das Projekt an vier Grundschulen in Coburg Stadt und Land testen. Ziel ist es, nach der erfolgreichen Projektphase dieses Modell nachhaltig und flächendeckend in die offene Ganztagsschule zu integrieren", sagt Kerstin Haas, die auch als Genussbotschafterin in der Region unterwegs ist.