Druckartikel: Freunde nach einem Drama

Freunde nach einem Drama


Autor: Michael Busch

Erlangen, Dienstag, 19. März 2019

Bozen ist seit August 2018 Partnerstadt Erlangens. Grund genug, sich die Südtiroler Stadt etwas genauer anzuschauen. Eine Reise zu neuen Freunden und auf den Spuren der Vergangenheit sowie der Freundschaft.
Der Dom in Bozen ist der Himmelfahrt Marias gewidmet. An dem gotischen Bauwerk kommt der Besucher nicht vorbei.


Michael Busch Es ist eine junge Beziehung. Zarte Bande, die zunächst geknüpft wurden, um im August 2018 besiegelt zu werden. Bozens Bürgermeister Renzo Caramaschi und sein Erlanger Pendant Florian Janik unterschrieben die Urkunden, die zum einen auf eine interessante Geschichte hinweisen, zum anderen ein gutes und friedliches Miteinander für die Zukunft besiegeln.

Um diese Partnerschaft zu verstehen, lohnt es sich, nach Bozen zu fahren. Was verbindet Bozen und Erlangen? Diese Frage lohnt es sich zu stellen, um die Stadt in der norditalienischen Provinz Südtirol zu erfahren. Doch eine Reise dorthin verspricht weitaus mehr Informationen, die ebenso spannend sind. Mal abgesehen davon, dass man zwei Persönlichkeiten Bozens kennenlernen muss.

346,16 Kilometer sind es in der Luftlinie. Doch da vor allem in den Alpen die Straßen in der Regel nicht die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten darstellen, kommt der Reisende auf 471 Kilometer von Stadtgrenze zu Stadtgrenze. Wer die Höhe Starnberger See passiert hat, weiß, dass der Mittelpunkt der Reise bereits erreicht wurde. Über Österreich geht es in Richtung Innsbruck. Dort geht es auf den Brenner, genauer gesagt: den Brennerpass. "Passo del Brennero", der Übergang nach Italien. Wer die alte Bundesstraße fährt, um die Maut auf der Autobahn zu vermeiden, weiß, dass er bei der kurvenreichen Strecke die 470 Kilometer nicht einhalten kann. Die Brennerautobahn ist für die Verhältnisse, die das durchquerende Wipptal bietet, im Grunde eine gerade Strecke.

Die rund 120 Kilometer auf der Autobahn machen aber schon mal Lust, sich mit dem wortwörtlich Kommenden zu beschäftigen. Denn es geht nach Italien und irgendwie auch nicht. Es geht in die autonome Provinz Bozen Südtirol, die zusammen mit der Provinz Trient die autonome Provinz Trentino Südtirol bildet.

Seit Inkrafttreten der erweiterten Autonomie im Jahr 1972 gibt es in Südtirol umfassende Selbstverwaltungsrechte und wird entsprechend als autonome Provinz oder Land bezeichnet. Mit diesem Wissen nähert der Reisende sich Bozen, der Landeshauptstadt der autonomen Region.

Die Autobahnausfahrt Bozen-Nord bietet sich aus Erlangen kommend an. Bereits jetzt fallen die Hänge auf, an denen die Weinreben sich aufreihen. Wer mit dem Auto nach Bozen einfährt, wird erst einmal schlucken. Von der malerischen Südtiroler Idylle oder gar Ausprägung ist erst einmal nichts zu sehen. Industriebauten, Einkaufszentren, Zubringer in die Stadt - und bereits eine Unmenge an Verkehr. Wer in diesem Moment an Erlangen denkt, sollte bedenken, dass es vergleichbare Städte sind. 107 000 Einwohner hat Bozen, leicht weniger als Erlangen. Erlangen breitet sich auf gut 77 Quadratkilometern aus, Bozen genügen 53 Quadratkilometer. An beiden Städten laufen wichtige Verkehrsachsen vorbei. Die A3 und die A22 (Brennerautobahn) sind extrem belastet.

Die Anreise nach Bozen ist natürlich auch mit der Bahn möglich, ab München gibt es mehrmals täglich eine direkte Verbindung. Wer lieber fliegt? Kein Thema, Bozen hat einen eigenen Flughafen, dort muss man auf keine Nachbarstadt ausweichen.

Zurück nach Bozen. In der Innenstadt verändert sich der Eindruck schlagartig. Eine wunderschöne Stadt, die allerdings vergessen macht, warum der Erlanger nun Bozen als Partnerstadt kennenlernen sollte. Denn dahinter verbirgt sich eine dramatische Historie.

Josef Mayr-Nusser ist eine der berühmtesten Bozener Persönlichkeiten. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht verweigerte er aus Glaubensgründen den Führereid, schreibt die Stadt Erlangen zu den Vorgängen im 2. Weltkrieg auf ihren Ausführungen zu Bozen. Diese Verweigerung führte dazu, dass er zum Tode verurteilt wurde. In dem Text der Stadt ist zu lesen: "Der Widerstandskämpfer starb am 24. Februar 1945 in einem Viehwaggon auf dem Bahnhof in Erlangen auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau."

Diese Verbindung, so betonten die beiden Stadtoberhäupter bei der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunden, "stellt damit eine historische Verbindung der beiden Städte dar und steht für die Mahnung, Frieden und Demokratie zu bewahren". Bei dem Festakt 2018 wurde betont, dass man dem Beispiel Mayr-Nussers folgen will, sich gegen jegliche Verherrlichung von Macht einzusetzen. Gerade in der gegenwärtigen politischen Lage habe sein vorbildhaftes Handeln eine große menschliche und politische Bedeutung.

Dass Erlangen an dieser Stelle auch von Bozen sehr viel lernen kann, betrachten wir in einem zweiten Teil über die neue Partnerstadt und den dortigen Rundgang.