Freier Fall nach sechs Jahren
Autor: Anette Schreiber
LKR Bamberg, Montag, 16. März 2015
Bürgermeister a. D. (1) Im März 2014 sind 15 von 36 Bürgermeistern aus dem Amt geschieden. Was ist aus ihnen geworden? Markus Zirkel aus Hallstadt berichtet.
von unserem Redaktionsmitglied
anette Schreiber
Landkreis Bamberg — Keine Kommunalwahl in den letzten Jahrzehnten hat die Bürgermeisterlandschaft im Landkreis so verändert wie die im vergangenen Jahr. 15 von 36 Amtsinhabern verabschiedeten sich: in den Ruhestand, aber auch in die Ungewissheit, in den Bundestag oder auch in die Landkreisleitung. In einer kleinen Serie beleuchten wir die einzelnen Werdegänge. Wir beginnen mit Markus Zirkel, SPD. Er musste nach nur einer Amtsperiode als Chef im Hallstadter Rathaus seinen Posten räumen und Thomas Söder von der CSU den Vorrang lassen.
"Die Erfahrungen der sechs Jahre Bürgermeister waren grandios." Er habe viel gelernt, sagt Zirkel im Rückblick auf die Periode im Rathaus. Gelernt über Menschen und Menschenführung und was Führungskräfte leisten.
Ein Gestalter
Vom Posten des Konzernbe trjebsrats bei Schaeffler war Zirkel ins hauptamtliche Bürgermeisteramt gekommen. Der Hallstadter sagt von sich, er sei einer, der gerne gestaltet. Das Amt gab ihm hier zahlreiche Möglichkeiten, eine 70-Stunden-Woche und mit A16 ein Gehalt, das doch über dem bis dato gewohnten lag. Sechs Jahre später kam mit dem 16. März dann praktisch der freie Fall. Die ersten drei Tage seien furchtbar gewesen, die Monate bis zum offiziellen Ausscheiden aus dem Rathaus zum 1. Mai "eine unschöne Zeit".
Dabei musste der heute 45-Jährige die Erfahrung machen, dass alle Vorurteile gegenüber dem Arbeitsamt zutreffen: unfreundliche Mitarbeiter, die Behandlung als Nummer und langes Warten.
Auf dem Arbeitsamt
Ein ehemaliger Bürgermeister auf dem Arbeitsamt? Das lag an der Krankenkasse.
Die Krankenkasse hatte den vom Angestellten mit dem Bürgermeisterposten zum (Wahl-)Beamten gewordenen Zirkel nicht mehr "gewollt". Er musste sich privat versichern. Was ihm später als Ex-Beamter und Ex-Bürgermeister zu teuer war. So wollte Markus Zirkel zurück in die gesetzliche Krankenversicherung. Doch die schickte ihn erst aufs Arbeitsamt, damit er als Arbeitsloser mit Arbeitslosengeld wieder in die gesetzliche Krankenkasse zurückkehren konnte. Doch da war ein weiterer Haken: Als Beamter brauchte Zirkel keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, also hatte er auch keine Ansprüche auf eine Zahlung von Arbeitslosengeld. Und so wollte ihn auch die Krankenkasse nicht mehr. Nur über seine Ehefrau hat Markus Zirkel es wieder zurück in die gesetzliche Krankenversicherung geschafft.
Für drei Monate gab es Übergangsgeld von der Stadt, "das ist gesetzlich geregelt". Doch was dann? Markus Zirkel hatte zumindest mit Schaeffler Deutschland eine Rückkehr-Vereinbarung. Das war sein Glück. Er kann die soziale Verantwortung des Konzerns nicht hoch genug loben. Freilich war sein Konzern-Betriebsratsposten zwischenzeitlich anderweitig besetzt.
So musste erst eine andere Tätigkeit bei Schaeffler aufgetan werden: Spezialist für Sonderaufgaben im Veränderungsmanagement. Allerdings erst im August.
Und bis dahin? "Ich bin einer, der gestalten will", wiederholt Zirkel von sich. Ein privates Bauprojekt kam da gerade recht. Zumindest konnte er sich hier körperlich betätigen. Die veränderte berufliche Situation Zirkels hatte natürlich immense Auswirkungen auf die Familie. "Wir haben viel miteinander gesprochen." Oft wurde man von außerhalb angesprochen, was nicht immer leicht war.
Motivation reichte wohl nicht
Die - wenn auch knappe - Niederlage bei der Wahl selbst führt Zirkel aus heutiger Warte darauf zurück, dass es ihm und seinem Team wohl nicht gelungen sei, die Hallstadter zum Wählen zu motivieren, was er an der schlechten Wahlbeteiligung von 58 Prozent festmacht. Auf eine Arbeit im Stadtrat habe er verzichtet, um nicht den Besserwisser und Nörgler geben zu müssen und den Weg für den neuen Bürgermeister frei zu machen. Im Kreistag engagiere er sich gerne weiter, weil hier das Team passe und er einfach einer sei, dem Politik Spaß mache. Wie hier die weitere Zukunft aussieht, da lässt er alles auf sich zukommen.
Mehr Zeit für die Familie
Selbstredend wäre er gerne Bürgermeister geblieben.
Dass dem nicht so ist, habe durchaus auch positive Seiten: Er werde jetzt nicht mehr wegen jedem klappernden Kanaldeckel angesprochen und habe mehr Zeit für die Familie und seine Freunde. Einen habe er in Jonas Merzbacher während der sechs Jahre und in der schweren Zeit hinzugewonnen, einen anderen trotz der wenigen Zeit im Bürgermeisteramt "zum Glück nicht verloren".
"Mir geht es richtig gut", bilanziert Markus Zirkel. Unausgesprochen schwingt ein "wieder" mit.