Franken hatte Brückenfunktion
Autor: Alfred Thieret
Lichtenfels, Freitag, 16. Januar 2015
CHW-Vortrag Rainer Hambrecht referierte über den Nationalsozialismus in Ober- und Mittelfranken von 1922 bis 1933.
von unserem Mitarbeiter Alfred Thieret
Lichtenfels — Der Nationalsozialismus in Oberfranken während der Jahre von 1922 bis 1933 stand im Mittelpunkt eines Vortrages, zu dem der CHW-Bezirksgruppenleiter Gerhard Schmidt den ehemaligen Direktor des Bayerischen Staatsarchivs Bamberg, Rainer Hambrecht, in die gut besuchte ehemalige Synagoge eingeladen hatte. Dieser ging insbesondere der Frage nach, wie einst die rechtsextreme Splitterpartei NSDAP bei der Parteienvielfalt der Weimarer Republik zu einer totalitären Macht von welthistorischem Ausmaß aufsteigen konnte, wobei der Obertitel seines Vortrages "Die Brücke Franken" schon auf die Bedeutung Frankens in dieser Hinsicht hinweist.
Interesse an Berlin
Auf München, den Ausgangspunkt der NS-Bewegung, habe sich Hitlers Machtstreben nie beschränkt, vielmehr habe sich schon lange vor seinen Ambitionen auf die Kanzlerschaft
sein Interesse an der Reichshauptstadt gezeigt, betonte der Referent eingangs. Auf Grund der zentralen Lage zwischen den beiden Städten sei Franken nicht nur geografisch, sondern auch politisch eine Brückenfunktion zugefallen, wobei - metaphorisch gesprochen - zweifellos die sozioökonomische und konfessionelle Struktur dieser politischen Landschaft den festen Grund dazu lieferte. Mit Franken sei allerdings nur Ober- und Mittelfranken gemeint, da Unterfranken sowohl wirtschaftlich, konfessionell (1933: Ober- und Mittelfranken rund 65 Prozent Protestanten, Unterfranken rund 80 Prozent Katholiken), in seiner politischen Orientierung und seinem Wahlverhalten völlig unterschiedlich gewesen war.
Der Referent ging auf die Entwicklung der antisemitischen Parteien ab 1919 ein.
Während sich Hitler in München zum unumschränkten diktatorischen Führer der Nationalsozialisten aufgeschwungen habe, sei in Nordbayern Julius Streicher mit der Deutschsozialistischen Partei aktiv gewesen. Hitler habe aber seinen Führungsanspruch durchgesetzt, womit er der NSDAP eine Brücke zur reichsweiten Ausdehnung eröffnete.
Hitler habe im Oktober 1922 in Coburg bei einem der damals regelmäßig organisierten "Deutschen Tage", einer jener beliebten Heerschauen der Rechten und Rechtsextremen, die Gelegenheit genutzt, die NSDAP dem Bürgertum als Kampftruppe gegen die sozialistische Arbeiterschaft zu empfehlen. In vielen Städten Frankens gab es solche Aufmärsche paramilitärischer Verbände mit radikalen Reden.
Franken und insbesondere Nürnberg hätten sich zum nationalsozialistischen Zentrum des Reiches entwickelt, was durch die Abhaltung des dritten Reichsparteitages 1927 in Nürnberg unterstrichen wurde.
Coburg sei 1929 die erste Stadt im Deutschen Reich mit einer nationalsozialistischen Stadtratsmehrheit gewesen. Somit habe Coburg nach den Deutschen Tagen 1922 ein zweites Mal NS-Geschichte geschrieben und die Brücke Franken einmal mehr ihre Tragfähigkeit bewiesen, hob der Referent hervor.
Und mit der Zuwendung der Bauern und Studenten, also zweier völlig unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen, sei die Brücke Franken zunehmend belastbarer geworden.