"Forschungslücken schließen"
Autor: Maria Löffler
Kronach, Freitag, 20. April 2018
Michaela Schmölz-Häberlein referierte in der Synagoge. Der Verein "1000 Jahre Kronach" stellte den Sammelband "Jüdisches Leben in der Region" vor.
Die Geschichte der jüdischen Minderheit in Franken während des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit war Kernthema eines Vortrages von Michaela Schmölz-Häberlein von der Universität Bamberg. Eingeladen in die Synagoge hatte sie der Verein "1000 Jahre Kronach", vor allem, um auch den Sammelband "Jüdisches Leben in der Region - Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden des Alten Reiches" vorzustellen. Michaela Schmölz-Häberlein räumte gleich zu Beginn ein, dass "wir noch wenig über die christlich-jüdische Geschichte in der Region wissen und dass die jüngst erschienen Studien nur punktuell Einblicke geben." Sie fand es umso erstaunlicher, weil in dieser Region einige der größten, wirtschaftlich und kulturell bedeutendsten Judengemeinden bestanden hätten.
Der Sammelband versuche, einige Forschungslücken zu schließen. Anschließend nahm sie ihre aufmerksamen Zuhörer mit auf eine Zeitreise in die Orte Kronach, Thurnau, Zeckendorf, Bischberg und Burgkunstadt. Anhand von Beispielen zeichnete sie ein Bild komplexer Herrschaftsverhältnisse und der vorherrschenden Kleinkammerung in den untersuchten Regionen. Schmölz-Häberlein: "Oder banal gesagt, dem üblichen, herrschaftlichen Flickenteppich." Untersucht werde im Sammelband vor allem jüdisches Leben und Einzelschicksale. Und zwar vor allem in katholischen, evangelischen und reformierten Gemeinden und Territorien. Migrationen, Bildungswege und gelehrter Austausch seien wichtige, räumliche Orientierungspunkte innerhalb der jüdischen Diaspora gewesen. "Sie brachten Netzwerke hervor und ermöglichten die Bildung von Strukturen jüdischer Selbstverwaltung. Überscheidungen habe es zwischen der jüdischen und christlichen Lebenswelt vor allem in Kauf- und Kreditgeschäften, in nachbarschaftlichen Kontakten und Streit auf Märkten, in Versammlungen, oder bei gesellschaftlichen Anlässen gegeben.
Die Referentin erzählte abschließend auch vom Schicksal des zehnjährigen Schloma Löw aus Burgkunstadt: "Er kehrte, nachdem er das Vieh des Bäckers gemeinsam mit dessen Kindern auf die Weide getrieben hatte, nicht nach Hause zurück. Sein Vater Moses Löw machte sich auf die Suche und fand seinen Sohn Schloma im katholischen Pfarrhof bei Pfarrer Johann Bartholomäus Schlör. Die Eltern bekamen ihr Kind nie zurück, ihnen wurde der Zugang verweigert und der Junge wurde christlich erzogen. Getauft wurde er schließlich auf dem Namen Anton Michael Schlömann." Konversionen seien in katholischen Gebieten durchaus häufiger vorgekommen, als angenommen: "Bis dato konnte ich 140 Taufen in 120 Jahren ermitteln. Für die Statistik ist Schloma ebenfalls typisch, fast 70 Prozent der ermittelten Personen waren männlich."
Die Diskussion drehte sich vor allem um Schutzgelder, Ausweisungen und die Rechtssicherheit der jüdischen Bevölkerung. Michaela Schmölz-Häberlein betonte, dass es damals sowohl Sammelschutzbriefe, als auch individuelle Schutzbriefe gegeben habe.
Auf die Frage nach den Wucherzinsen der Juden antwortete sie: "Die Bedingungen für normale Kredite waren allgemein geregelt. Bei kurzfristigen Krediten herrschte meist ein viel höheres Risiko für den Geldgeber. Deshalb fielen auch mehr Zinsen an. Das ist heute ja nicht viel anders." Vorsitzender Manfred Raum freute sich, "dass die Geschichte jüdischer Mitbürger die hier gewohnt haben oder verschwunden sind", vom Aktionskreis verbreitet werde: "Es ist gerade in der heutigen Zeit eine Herausforderung, sich mit diesem Thema zu beschäftigen."