Druckartikel: Flucht in Computerwelt

Flucht in Computerwelt


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Dienstag, 10. April 2018

Dass er kinderpornografische Bilder ins Internet gestellt hatte, war unleugbar. Das Landeskriminalamt (LKA) kam dem 37-jährigen Mann aus dem östlichen Landkreis darauf. Am Dienstag hatte er im Amtsger...


Dass er kinderpornografische Bilder ins Internet gestellt hatte, war unleugbar. Das Landeskriminalamt (LKA) kam dem 37-jährigen Mann aus dem östlichen Landkreis darauf. Am Dienstag hatte er im Amtsgericht als Angeklagter Stellung zu beziehen.
Was von seinem Computer aus Mitte 2016 ins Internet befördert wurde, ist in seiner Schrecklichkeit schwer zu begreifen. Mehrere Dutzend Bilddateien von Kindern im Kindergartenalter, die ihren vaginalen und analen Missbrauch zeigten. Das LKA deckte den Fall auf. Bei einer Hausdurchsuchung wurden zudem noch Dateien auf einer Computer-Festplatte sowie neun Wurfsterne gefunden.


Nie eine Freundin gehabt

Unaufgeregt gab der Angeklagte vor Richter Stefan Jäger und Staatsanwältin Claudia Schellhorn zu: "Ja, es stimmt so weit." Wie tickt ein Mensch, der solche Facetten zeigt? Richter Jäger suchte das Wesen des 37-Jährigen zu ergründen, wichtig für die Strafzumessung. Freimütig erzählte der Angeklagte, noch nie eine Lebensgefährtin gehabt zu haben, ein introvertierter und gehemmter Mensch zu sein. Verteidigerin Anett Raumschüssel erklärte: "Mein Mandant hat eine psychische Erkrankung, die ist auch nicht vorgeschoben." Doch Raumschüssel zeigte auch gute Seiten auf: So habe ihr Mandant seine Mutter gepflegt und selbst schon Kontakt zu einem Netzwerk aufgenommen, von welchem er sich Hilfe für seine sexuelle Neigung erwartet. Tatsächlich erging gegen ihn vor acht Jahren schon einmal ein Strafbefehl in ähnlicher Sache. Ob der Beschuldigte sein Tun bedauerte, war während der Verhandlung schwer einzuschätzen. Dafür, dass er es nicht tat, gab es auch keine Anzeichen. Wohl aber dafür, dass hier jemand saß, dem virtuelle Begegnungen angenehmer sein mochten als echte. Staatsanwältin Schellhorn hatte abzuwägen. "Bewährung ist eine schwierige Frage hier", erklärte sie. Letztlich erachtete sie die Sozialprognose des Angeklagten für nicht beruhigend genug und forderte eine Haftstrafe von 21 Monaten. Dem setzte Raumschüssel die Hoffnung entgegen, dass eine einjährige Haftstrafe zur Bewährung, "allerdings mit Therapieauflage", die Weichen für eine nicht mehr kriminelle Zukunft stellen würde. Denn: "Es war schon eine Wahnsinnsleistung für ihn heute, über alles zu reden."
Letztlich verhängte Stefan Jäger wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften eine 16-monatige Haftstrafe zur Bewährung. Doch die Auflagen dafür sind massiv. Drei Jahre lang wird der Verurteilte einem Bewährungshelfer unterstellt sein. Und Jäger gab dem Verurteilten noch einen Satz mit, der auch als Warnung für den Fall einer Wiederholung verstanden werden könnte: "Die JVA wäre der falscheste Ort, den man sich für Sie vorstellen kann - besonders mit Ihrer Vorstrafe." MH