Fieselfieber und Wolfsangst
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Lichtenfels, Freitag, 05. August 2016
Schon vor 150 Jahren hatten die Menschen ähnliche Probleme und Ängste wie heute: Naturkatastrophen, Krankheiten und die Auswirkungen von Kriegen beschäftigten die Öffentlichkeit.
Beim Blättern im Lichtenfelser Wochenblatt in der Mitte des 19. Jahrhunderts fällt auf, dass sich die Welt am Obermain nicht entscheidend verändert hat. Unsere Urgroßväter klagten über Naturkatastrophen, huldigten den Stars der Zeit und fürchteten sich vor Wölfen. Unsere Serie "Lichtenfels im Wandel der Jahrhunderte" beruft sich auf Zitate aus der damals einmal wöchentlich erscheinenden Zeitung, die zunächst nur als Amtsblatt in Bamberg gedruckt wurde.
Ein paar Zeilen Lokales
Ab 1. Oktober 1863 wird das Lichtenfelser Wochenblatt, das auch Amtsblatt für die beiden königlichen Bezirksämter Lichtenfels und Staffelstein ist, in Lichtenfels gedruckt. Der damalige Schriftleiter (Redakteur) bezog seine Meldungen aus den Rathäusern und Bezirksämtern. Die Gerichtsberichterstattung, die den größten Platz einnahm, lieferten die Ämter.
Die lokale Berichterstattung beschränkte sich in den ersten Jahren auf ein paar Zeilen.Die Geschäftsleute finanzierten mit ihren Annoncen zum größten Teil das Blatt. Das Jahresabonnement kostete einige Kreuzer und war daher nur den betuchten Bürgern vorbehalten. Schlagen wir also die erste druckfrische Ausgabe auf, die soeben mit der Postkutsche aus Bamberg eingetroffen war. (Die kursiv gedruckten Sätze sind Anmerkungen des Verfassers).
26. April 1857: "Die Wallfahrtskirche zu Vierzehnheiligen soll im heurigen Jahre von noch nie dagewesenen Wallfahrern besucht werden. Mehrere wohlhabenden Familien aus Rußland nämlich, die während des jüngsten Krieges mit den Westmächten das feierliche Gelübnis gethan haben, diesen Wallfahrtsort zu besuchen, insoferne ihre Söhne wohlbehalten aus dem Schlachtfelde zurückkehren würden, sollen heuer dies gethane Gelübde zu vollziehen bereit sein.
2. Juni 1858: Ein Bauersmann aus Buch am Forst, wurde, als er aus dem Forste herausgetreten war, von dem Blitze eines heute Morgens hier vorübergehenden unbedeutenden Gewitters so getroffen, daß er augenblicklich todt blieb. Der Strahl fuhr ihm zum Schädel ein und zur Fußsohle hinaus und verbrannte alle Kleidungsstücke desselben, bis auf einen kleinen Rest seiner Unterjacke.
23. August 1859: Mehrere von jenen Personen, die zum Holzlesen heute in der Revier Buch waren, wollen einen Wolf gesehen haben. Auch die nächste Umgebung von Coburg wird seit einigen Tagen von Wölfen unsicher gemacht. Dieselben sind bereits zweimal des Nachts in Schafherden eingebrochen, haben das eine Mal einige Schafe erwürgt und angefressen, während sie das andere Mal vom Schäfer verscheucht wurden. Dem Jagdpersonal ist es bisher noch nicht gelungen, die unsaubren Gäste unschädlich zu machen. Woher diese Thiere gekommen sind, ist bis jetzt ganz unermittelt.
31. Juli 1861: Es fand in Buch um 8 Uhr früh eine Hundevisitation durch den Bezirkstierarzt Ritzer statt. Der Gemeindevorsteher hatte laut Anschreiben vom 16. April alle Hundebesitzer dazu geladen. Wer nicht erschien, musste 1 Gulden Strafe bezahlen. Der Gemeindeschreiber fertigte das Hunderegister an und das Ergebnis der Visitation.
20. August 1861: Vergangenen Samstag wurden zwischen Buch und Obersiemau sämtliche Telegraphenstangen von einem vorüberziehenden Gewitter vollständig zerstört, so dass dieselben wie Holzsplitter auf der Straße lagen (Die erste Telegraphenleitung führte von Coburg über Untersiemau nach Buch. In dem damaligen Grenzdorf zwischen dem Hochstift Bamberg und dem Herzogtum Coburg wurde ein wichtiges Zoll- und Mauthaus gebaut, in dem sich auch das Telegraphenamt befand).
2. Februar 1862: Seit vier Tagen ununterbrochen heftige Regengüsse. Der Main führt Hochwasser wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das Wasser steht bei einigen Häusern bis zu den Fenstern. Lebensmittel per Kähne. In Redwitz wollten drei Männer das Eis von der Brücke abweisen, als diese zusammenbrach und alle drei ins Wasser fielen. Zwei wurden gerettet, einer fand den Tot. In Staffelstein hat das Hochwasser der Lauter großen Schaden angerichtet.
25. Februar 1862: Seit mehreren Wochen herrscht in der Umgebung namentlich in Buch, Schney und Michelau eine Masern- und Frieselkrankheit (Frieselfieber: jede Art von Fieber mit Ausschlag) welche bösartig auftritt. In Schney konnte schon längere Zeit keine Schule mehr gehalten werden, weil die meisten Kinder darniederliegen und an manchen Tagen drei bis vier Todesfälle vorliegen.
29. April 1862: Rege wirtschaftliche Entwicklung. Anbau am königlichen Amtsgericht und Änderungen im Rathaus zu Amtslokalitäten. Erweiterung der Schienengleise am Bahnhof. Gebäude dort noch in der Planung. Personenfrequenz steigert sich täglich. Leider nicht im Gütertransport. Privatbauten weniger trotz hoher Mieten. Die Floßfahrt auf dem Main ist im vollen Gange. Große Mengen an Floßholz auf dem Anger gelagert. Die Gesellschaftsbrauerei siedet noch Tag und Nacht fort um den begehrten Bedarf zu decken. Die Hetzische Brauerei sorgt ebenfalls für den Lokalbedarf in lobenswerter Weise. Trotz der kritischen Handelsperiode können die Korbwarenfabriken ihre Arbeiter beschäftigen. Ob das bei längerer Andauer des amerikanischen Krieges noch geschehen kann? (Spätestens im Jahr 1862 zeichnet sich für die Konfliktparteien endgültig ab, dass sich der amerikanische Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten einem langen und für beide Seiten verlustreichen Krieg ausweitet).