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Feierabend auf dem Bretzenstein?


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Ebern, Dienstag, 28. April 2020

Die beiden Stromerzeuger auf der Anhöhe zwischen Ebern und Recheldorf bereiten Probleme. Eine Abschaltung scheint nicht ausgeschlossen.
Foto: Michael Will


Die Windräder am Bretzenstein, auf der Höhe zwischen Recheldorf und Fierst, blicken einer ungewissen Zukunft entgegen. Das Windrad mit der Bezeichnung "Enercon E66", welches näher der Ortschaft Recheldorf steht, wurde im Jahr 1991 errichtet, sein Nachbar mit der Bezeichnung "Südwind S70", näher an Fierst gelegen, steht seit dem Jahr 2001. Als die beiden Windräder errichtet wurden, waren sie in der hiesigen Gegend noch Hingucker. Mittlerweile sind rundum schon weitere Windkraftanlagen gebaut und in Betrieb genommen worden.

Stillstand trotz Wind

Ein Jogger, der regelmäßig auf dem Bretzenstein seine Runden dreht, hat sich an unsere Zeitung gewandt, weil ihm aufgefallen sei, dass die Windräder, trotz teilweise heftigen Windes, still standen. Auf Anfrage teilte Johann Prell, Geschäftsführer der Windenergie Bretzenstein Verwaltungsgesellschaft mbH mit, dass Erich Grell aus Recheldorf das Windrad "Enercon E66", zum 1. Juli 2019 von der Gesellschaft Windenergie Bretzenstein GmbH & Co erworben habe. Die Gesellschaft befindet sich derzeit allerdings in Auflösung.

Dazu sagt der Sohn von Erich Grell, Karl-Ludwig Grell, auf Anfrage, dass für seinen Vater Erich ein Vorkaufsrecht vorlag, weil das Windrad auf seinem Grundstück steht. Erich Grell, mittlerweile 87 Jahre alt, habe sein Vorkaufsrecht geltend gemacht und das Windrad Ende August oder September 2019 zusammen mit einer sechsköpfigen Investorengruppe gekauft. Die Käufer wollen den Angaben zufolge alles in eine Gesellschaftergruppe überführen.

Totalschaden?

Wie Karl-Ludwig Grell weiter sagte, habe das Windrad "Enercon E66" einen Lagerschaden. Die Investoren würden daher derzeit etwas "im Feuer" stehen. Überlegungen in alle Richtungen würden angestellt, eine Reparatur sei eher schwierig, da die Kosten hierfür im sechsstelligen Bereich liegen würden; auch liege vermutlich ein wirtschaftlicher Totalschaden vor.

Man blicke nach vorne und denke auch an eine neue Anlage, wobei vorher ein Rückbau des bisherigen Windrades erfolgen müsste. Hier komme allerdings wieder die 10H-Regelung ins Spiel. Entscheidend sei dabei, wie sich die beteiligten Gemeinden dazu stellen.

Deshalb wurde bei den Bürgermeistern von Untermerzbach und Ebern nachgefragt. Bürgermeister Helmut Dietz (SPD) aus Untermerzbach sagte, da am Bretzenstein der 10H-Abstand nicht gegeben sei, müsse ein Bauleitverfahren von den Betreibern über die Gemeinde beantragt werden. "Die Entscheidung liegt dann beim Gemeinderat. Dieser würde, nach Erfahrungen der Vergangenheit, vor seiner Entscheidung wohl die öffentliche Meinung abfragen", so Bürgermeister Helmut Dietz.

Auch sein Amtskollege Jürgen Hennemann (SPD) aus Ebern teilte mit, dass ihm bekannt ist, dass ein Windrad kaputt sei und überlegt würde, dieses zu reparieren oder durch ein neues zu ersetzen. Er persönlich würde einen Antrag, das Windrad zu ersetzen, klar unterstützen. Er verwies darauf, dass er sich bereits vor Jahren für weitere Windräder auf dem Bretzenstein ausgesprochen habe. Der Bretzenstein sei bei der Bevölkerung als Standort von Windrädern anerkannt und beliebt. "Wie und wann für einen Ersatz eines Windrades ein Verfahren eingeleitet wird, weiß ich noch nicht, da werden sicher noch viele Gespräche notwendig und es ist schlecht zu sagen, wie sich die 10H-Regelung auswirken wird", erklärte der Eberner Bürgermeister.

Er ist der Meinung, dass die 10H-Regelung grundsätzlich auf den Prüfstand müsse, wenn nicht sogar ganz abgeschafft werden sollte, um im Sinne der Energiewende Raum für Windkraft zu schaffen. Er persönlich stehe hinter Windkraft und Photovoltaikanlagen. Es gehe auch darum, langfristig eigenen Strom in den Gemeinden zu erzeugen, damit die Wertschöpfung in der Region verbleibe.

Er habe sich mit anderen Bürgermeisterkollegen dem Aufruf "Bürgermeister für den Klimaschutz und die Energiewende" an die Bundes- und Landesregierung angeschlossen. "In diesem Aufruf und Appell wird auch verlangt, die geltende 10H-Regelung abzuschaffen.

Verkauf steht an

Das Windrad "Südwind S70", welches näher bei Fierst steht, wurde 2001 von der Gesellschaft Zweite Windenergie Bretzen-stein GmbH & Co errichtet. Laut Gesellschafterbeschluss solle die Anlage in diesem Jahr veräußert werden, erläuterte Johann Prell. Über die Eigentumsverhältnisse dieses Windrades machte er keine Angaben.

Die garantierte Mindestvergütung für den erzeugten Strom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz laufe 2021 aus. Soll die Anlage nach 20 Jahren weiterbetrieben werden, dann müsse ein Weiterbetriebsgutachten vorgelegt und der erzeugte Strom müsse anschließend über die Strombörse vermarktet werden. "Leider ist Franz Uhl aus Mürsbach im Jahr 2019 verstorben", sagt Prell. Dieser habe sich für das Windkraftrad stark gemacht. Weitere Gesellschafter hätten allerdings altersbedingt gesundheitliche Probleme, sodass von Seiten der derzeitigen Gesellschafter kein Interesse an einem Weiterbetrieb für "Südwind S70" bestehe. Dessen Zukunft scheint deshalb ungewiss.

Jedenfalls ist beabsichtigt, dieses Windrad weiter zu veräußern. Nach Angaben von Johann Prell sind mehrere Kaufinteressenten vorhanden. Prell zeigte sich überzeugt, dass beide Windräder "sicher weiterbetrieben" werden. Im Vergleich zu Windrädern an der Küste würden sie im hiesigem Bereich weit weniger beansprucht und die mögliche Lebensleistung sei noch lange nicht erreicht.

Wartungsarbeiten

Zu den Feststellungen, dass derzeit die Windräder nicht laufen, sagt der Geschäftsführer, dass die Stillstandszeiten in diesem Jahr durch Wartungsarbeiten bedingt waren oder sind. So habe ein Ölwechsel stattgefunden und es waren umfangreiche sicherheitstechnische Nachrüstungen wie Steigleiter und Rotorblattdeckel erforderlich. Es habe einige kleinere technische Störungen an Kohlebürsten, einen Kabelbruch und Schäden am Akku-Ladegerät gegeben.

"Die Anlage wurde vorbereitet für den Verkauf beziehungsweise es wurden Voraussetzungen erfüllt für die Erteilung des Weiterbetriebsgutachtens", so Johann Prell. Zu den Kosten, was die erstmalige Errichtung der Windräder betrifft, beziehungsweise zu den Kosten, die infolge von Reparaturen und für das Weiterbetriebsgutachten entstehen, gab der Geschäftsführer keine Auskunft.

Flügel brach ab

Ein größeres Problem hatte es mit Windrad "Südwind S70" in der Nacht zum 23. Januar 2012 gegeben, als ein Rotorblatt des Windrades abbrach. Das hatten damals Bewohner eines Aussiedlerhofes in Hemmendorf mitbekommen, deren Hof etwa einen Kilometer Luftlinie vom betroffenen Windrad entfernt ist. "Es war ein komisches, unwirkliches Geräusch", schilderte damals eine Bewohnerin des Aussiedlerhofes die Situation. Sie habe ein Rauschen, Knirschen und Bersten vernommen und dann habe Totenstille geherrscht.

Zwei Monate später wurde der geborstene Rotorflügel in einer aufwendigen Aktion ausgewechselt. Ein 20-Tonnen-Paket musste in die Höhe gehievt werden, was zahlreiche Schaulustige in gebührendem Abstand verfolgten. Als Ursache für das Bersten des Rotorflügels wurde ein Blitzeinschlag festgestellt.

Es bleibt spannend, ob sich die Rotorblätter der beiden Windkrafträder auf dem Bretzenstein in absehbarer Zeit wieder für die Erzeugung erneuerbarer Energie drehen werden.