Druckartikel: Faust ersetzt das Selbstwertgefühl

Faust ersetzt das Selbstwertgefühl


Autor: Manfred Wagner

Haßfurt, Dienstag, 13. Oktober 2015

Strafprozess  Sein wunder Punkt: Als man ihn auslachte, sah der junge Mann nachts in der Disco in Unterpreppach rot und schlug zu. Wegen der beiden gezielten Schläge schickte ihn der Jugendrichter in Haßfurt für eine Woche in den Jugendarrest.


von unserem Mitarbeiter Manfred Wagner

Haßfurt/Ebern — "Wenn sich jemand über ihn lustig macht - das ist sein wunder Punkt", erklärte der Jugendgerichtshelfer Franz Heinrich. Und wenn er obendrein betrunken ist, dreht er bei solch kleinen Provokationen durch. Genau so war es in der Disco in Unterpreppach. Weil der junge Handwerker (19) einen Jugendlichen mit der Faust aufs Ohr und einen anderen auf das Nasenbein geschlagen hat, schickte ihn Jugendrichter Martin Kober für eine Woche hinter schwedische Gardinen.


2,28 Promille sind heftig

Die unschönen Szenen spielten sich heuer am 5. April nachts um dreiviertel zwei Uhr vor der Tür des Tanzcenters ab. Alle Tatbeteiligten hatten ordentlich "einen sitzen". Insbesondere bei dem Angeklagten aus dem Steigerwald stellte man mit 2,28 Promille einen Wert fest, bei dem "ein normaler Mensch total besoffen ist und massive Aussetzer hat", betonte Kober.
Drei Zeugen bestätigten, dass der stämmige Angeklagte alle möglichen Leute aggressiv angepöbelt hatte. Daher gingen zwei Burschen auf den Betrunkenen zu, um ihn zu beruhigen. Wie genau das abgelaufen ist und was gesprochen wurde, daran konnte sich im Gerichtssaal keiner mehr erinnern. Aber einer der Zeugen gab zu, gelacht zu haben.
Daraufhin sah der Beschuldigte rot. Mit der Faust schlug er einen 20-jährigen Meisterschüler so hart aufs linke Ohr, dass der zu Boden ging. Damit nicht genug, auch dessen Freund sollte sein Fett abkriegen. Nochmals holte der kräftige Junge aus und diesmal landete der Schlag auf dem Nasenbein eines ebenfalls 20-jährigen Mechanikers.
Die folgenden Tage sei er mehrfach in seinem Betrieb von Kollegen angesprochen worden, weil die blaue Stelle im Gesicht unübersehbar gewesen sei, erzählte der Geschlagene im Zeugenstand. Wenn sich der Angeschuldigte entschuldigt hätte, fügte er hinzu, hätte er die Strafanzeige zurückgenommen. Das, erklärte der Richter, hätte nicht viel genutzt, denn: Der Einzige, der eine Klage fallen lassen kann, sei der Staatsanwalt.
Verteidigerin Anja Peter zweifelte den geschilderten Tathergang an. Sie wies darauf hin, dass sich keiner der angeblich Geschlagenen ärztlich behandeln ließ und dass alle ziemlich blau waren. Sie regte einen Freispruch an.
Derartige Überlegungen wies Staatsanwalt Peter Bauer von sich. In seinem Plädoyer kreidete er dem Angeklagten seine drei Vorstrafen an. Erst Mitte 2014 stand er ebenfalls wegen Körperverletzung und Bedrohung vor dem Kadi. Damals kam er noch mit einer Geldauflage davon. Nun, so der Vertreter der Anklage, "sei ein ernster Warnschuss" mit einem zweiwöchigen Jugendarrest nötig.
In seiner Urteilsbegründung war der Jugendrichter überzeugt, dass sich der Verurteilte "die Wahrheit zurechtlegt". 2,28 Promille, das entspreche mindestens acht Bier in zwei Stunden, erklärte der Jurist. In einem solchen Zustand könne man sich nicht mehr zuverlässig an das erinnern, was passiert sei. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, hat der junge Mann eine Woche Zeit, in sich zu gehen und seinen unseligen Alkoholkonsum zu überdenken.