Druckartikel: Exotischer Landler und stampfende Lok

Exotischer Landler und stampfende Lok


Autor: Gerda Völk

Lichtenfels, Sonntag, 24. April 2016

Harfe und Mundharmonika bildeten ein ungewöhnliches Duo in der ehemaligen Lichtenfelser Synagoge.
Begeisterten ihr Publikum: Lilo Kraus und Chris Schmitt bei ihrem Konzert in der ehemaligen Synagoge in Lichtenfels.  Foto: Gerda Völk


"Die Harfen sind aufgebaut, die Mundharmonika liegt bereit": Mit diesen Worten begrüßte Stadtarchivarin Christine Wittenbauer das Künstlerduo Harp & Harp. Es waren schon einige Harfenspielerinnen zu Gast in der ehemaligen Synagoge in Lichtenfels, die Kombination aus Harfe und Mundharmonika war bislang noch nicht dabei. Sie dürfte aber weltweit einzigartig sein. Einzigartig auch das, was Lilo Kraus (Harfe) und Chris Schmitt (Bluesharp und Vocals) dem Lichtenfelser Publikum im Verlauf des Abends zu Gehör brachen. Die gebürtige Niederbayerin ist 1. Soloharfenistin der Nürnberger Philharmoniker und Dozentin an der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg. Mit der Bluesharp ist Chris Schmitt eine feste Größe in der Blues-Szene, er hat schon berühmte schwarze Bluesmusiker wie Blind John Davis und Louisiana Red auf ihren Deutschlandtourneen begleitet. Kontrastfreudigkeit beherrscht das Programm ebenso wie ausgefeilte Interpretationen und Improvisationslust. Nach Joe Zawinuls Souljazz-Klassiker "Mercy, mercy" übernimmt die Harfe bei einem Tango den Part eines Bandoneons. Danach sieht man sich 500 Jahre zurück ins Spätmittelalter versetzt, wo ein gewisser Oswald von Wolkenstein als Harfenist wunderbare Musik schuf, als Ritter aber ein rechter Haudegen gewesen sein soll. Der "Che-Guevara-Landler" aus der Feder von Ex-Biermösl Blaser Christoph Well schmeichelt den Gehörgängen genauso wie ein klassisches Stück aus der Feder des russischen Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowski und eine Sonate von Sophia Giustina Dussek. Mit ein Höhepunkt des vielbeachteten Konzerts: der Mundharmonika-Dampfzug von Chris Schmitt. Ein stampfender Blues, der an eine unter Dampf stehende Lokomotive auf ihrer Fahrt durch die endlosen Weiten Amerikas erinnert. Die Wurzeln von Chris Schmitt liegen im Landkreis Lichtenfels, genauer gesagt in Prächting. Großvater Schmitt muss wohl ein Mann gewesen sein, der die Mundwinkel immer nach oben getragen hat. "Und das ist gut so", sagt Chris Schmitt.


Gute Akustik

Mittlerweile genießen die Harfenkonzerte nicht nur beim Lichtenfelser Publikum einen guten Ruf, auch in der Harfenszene haben sich die akustisch guten Bedingungen in der ehemaligen Synagoge herumgesprochen. "Die Lichtenfelser haben es gut, woanders ist die Harfe als Soloinstrument seltener zu hören", erklärt Lilo Kraus. Schade eigentlich, dass es sich noch nicht herumgesprochen hat, wie vielseitig das Instrument ist. Lilo Kraus besitzt eine sogenannte Doppelpedalharfe, wie sie zur Zeit Mozarts entstanden ist. Mit ihren Fuß-Pedalen kann jeder Ton zweimal um einen Halbton verändert und so jede denkbare Tonart erzeugt werden. "Wenn sie die falsche Tonart erwischen, können die Sänger ganz schön erschrecken", schmunzelt Lilo Kraus. Es ist ihre charmante Art, die beim Lichtenfelser Publikum gut ankommt. Das zweite Instrument der Harfenistin ist eine sogenannte Volksharfe, wie sie auch in Venezuela gespielt wird.
Auch an Erkenntnissen mangelte es an diesem Abend nicht. "Hätte man den Blues nicht am Mississippi erfunden, dann hätte man es in Franken getan", sagt Lilo Kraus und liefert die Erklärung gleich mit. Nach fünf Stunden Richard Wagner, sei ein Blues so etwas wie eine Erholung. Insgesamt erklatschte sich das Publikum vier Zugaben.