Europapolitiker Manfred Weber forderte in Haßfurt: "Herr über seine Grenzen sein"
Autor: Manfred Wagner
Haßfurt, Montag, 31. Oktober 2016
In Anlehnung an ein geflügeltes Wort könnte man sagen: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst der Krise." Schuldenberge, Flüchtlingsströme, Brexit, ...
In Anlehnung an ein geflügeltes Wort könnte man sagen: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst der Krise." Schuldenberge, Flüchtlingsströme, Brexit, Beinahe- Desaster Ceta - die EU produziert negative Schlagzeilen am laufenden Band. Da stelle sich die Frage: Hat dieses Europa überhaupt noch eine Zukunft oder ist das der Anfang vom Ende? Manfred Weber, Europaabgeordneter der CSU und Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP), gab in Haßfurt Antworten und stellte sich den Fragen des Publikums.
Er wirbt für eine EU als Friedens- und Wirtschaftsmacht auf Grundlage christlicher Werte. Den ehemaligen Schulamtsdirektor Georg Krebs quält wie so viele die Sorge, dass das, was man nach dem Zweiten Weltkrieg "mit brennendem Herzen" aufgebaut habe, auseinanderfallen könnte.
Dass man die aus Not und Elend geborene Grundidee eines friedlichen und vereinten Europas vergessen könnte und dass Nationalismus und Egoismus wieder überhand nähmen.
In dasselbe Horn bläst Riedbachs Bürgermeister Bernd Fischer, der keinen Hehl daraus macht, dass er von der jüngsten Entwicklung Europas "ä weng" enttäuscht sei. Von Gemeinschaft, bringt er es auf den Punkt, könne momentan keine Rede sein.
Weber, der auf Einladung des CSU-Kreisverbands in den Kreis Haßberge kam, kennt diese Meinungen nur zu gut. Er hält nichts von einfachen Antworten und Schlagworten, sondern wirbt um Vertrauen. "Unser Wohlstand", sagt der Politprofi, "beruht auf dem freien Welthandel. Gerade wir Deutschen profitieren vom EU-Binnenmarkt ohne Zölle und von internationalen Handelsverträgen.
Jeder zweite Arbeitsplatz bei uns ist von den Exporten abhängig."
Kritik willkommen
Dabei findet er durchaus gut, dass Naturschutz- und Verbraucherverbände zahlreiche Einwände und Bedenken geltend gemacht haben. Diese Kritik sei in die Verträge eingeflossen und soziale und ökologische Kriterien und Standards seien garantiert. "Auch mit Ceta wird es kein Hormonfleisch, keine Chlorhühnchen und keine kommerzielle Wasserversorgung bei uns geben", verspricht Weber.Das Verfahren sei aber untragbar. Während in Kanada ein Abgeordnetenhaus abstimme, müsse der Vertrag in Europa durch mehr als 40 Parlamente, wobei jedes sein Veto einlegen könne. Schon aus pragmatischen Gründen, sagt der Abgeordnete, müsse die Zuständigkeit bei internationalen Handelsfragen in die Hände der EU: "Durch den gegenwärtigen Verfahrensablauf machen wir uns international lächerlich."
Zum Thema Flüchtlingskrise unterstreicht Weber, dass die Bürger gerade Städte und Gemeinden Bayerns eine ausgeprägte Willkommenskultur praktiziert hätten. "Menschen in Not und Elend muss man helfen - aber alles mit Maß und Ziel", lautet sein Credo: "Einfach nur die Tür aufmachen und alle unkontrolliert hereinlassen, kann nicht die Lösung sein." Vielmehr müsse man wieder "Herr über seine Grenzen" werden und Solidarität auch von den Staaten Osteuropas einfordern. Es sei ein Unding, wenn ein Landkreis wie die Haßberge mehr Flüchtlinge aufnehme als das Land Tschechien.
Dass es auch anders und besser gehe, beweise Kanada. Das nordamerikanische Land habe vor Ort in den Flüchtlingscamps Büros eröffnet, in denen sich jeder Migrant um Aufnahme bewerben könne. Anhand von humanitären, sozialen und ökonomischen Kriterien werde dann nach einem persönlichen Vorstellungsgespräch entschieden. Auf diese Weise habe Kanada im letzten Jahr mehr als 40 000 Flüchtlinge aufgenommen.
Der 44-jährige Europapolitiker ist überzeugt, dass der spektakuläre Austritt der Briten aus der EU vor allem den Engländern selber schade. Schon jetzt investierten große Firmen wie BMW nicht mehr in die Niederlassungen auf der Insel und das britische Pfund habe seit der Wahl 15 Prozent an Wert verloren. Ein erschreckendes ausländerfeindliches Klima mache sich breit und von der EU gebe es nun kein Geld mehr - Schluss mit dem Briten-Rabatt und mit Zugeständnissen. Fast erleichtert meint Weber: "Die Rosinenpickerei hat nun ein Ende!"
Dass Weber kein Hardliner ist, sieht man an seinen außenpolitischen Positionen. Bei Russland plädiert er wegen dessen aggressiver Rolle in der Ostukraine und in Syrien zwar für Wirtschaftssanktionen, betont aber gleichzeitig, dass man weiter miteinander reden müsse.
Militärische Interventionen, sagt er rückblickend auf den Irakkrieg, hätten die Welt nicht sicherer gemacht. Hinsichtlich der Türkei ist er ganz auf der Linie der Bundeskanzlerin: Partnerschaft und Freundschaft ja, Mitgliedschaft in der EU nein.
In der sich anschließenden, mehr als einstündigen Diskussion bricht Weber eine Lanze für das Europäische Parlament und seine Institutionen.