Druckartikel: Essen erst nach halb zehn

Essen erst nach halb zehn


Autor: Pauline Lindner

Forchheim, Freitag, 10. Juli 2015

Fastenbrechen  Beim Treffen im Internationalen Sprachcafé bringen die muslimischen Gläubigen ihre Tradition den Gästen nahe. Was sind türkische "Baggers"?
Muslimische Ramadan-Tradition im Internationalen Sprachcafé beim Fastenbrechen Foto: privat


von unserer Mitarbeiterin Pauline Lindner

Forchheim — Es ist noch ganz schön heiß für deutsche Verhältnisse am Abend so gegen acht Uhr. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die Kleidung der Frauen, die sich im Internationalen Sprachcafé zum Fastenbrechen treffen. Leichte Kleider oder halblange Hosen und T-Shirt tragen die einen; die anderen haben sich in lange Röcke, langärmelige Oberteile und Kopftücher gehüllt. Wie sie es entsprechend ihrer muslimischen Tradition tun.

Sonnenuntergang

Bis nach halb zehn müssen alle warten, ehe es etwas zu trinken und zu essen gibt. "Wir haben einen Kalender, der für Nürnberg den Sonnenuntergang zeigt", erklärt Gülderen den anderen. Sie kleidet sich nach hiesigen Gepflogenheiten, hält aber die religiöse Fastentradition ein. "In Mekka und in meiner Heimat Syrien ist es jetzt schon Nacht", ergänzt Miriam. Sie gehört zu den Bootsflüchtlingen und ist vor einem Jahr über den Libanon und Libyen nach Italien gekommen. Mit ihrem Mann und ihren vier Kindern lebt sie inzwischen in einer Wohnung in Forchheim. Miriam erwartet ihr fünftes Kind.
Als Schwangere ist sie vom Fastengebot befreit. "Nicht jeden Tag, aber wenn ich mich gut fühle, verzichte ich untertags aufs Essen", sagt sie. "Man ist angehalten, wenn man wegen Schwangerschaft, Stillen oder Krankheit einen Ramadan nicht fastet, die Tage später nachzuholen", ergänzt Dilek, die dem Vorstand der Yunus-Emre-Moschee angehört.
Wenn der Ramadan - oder Ramazan in türkischer Aussprache -, wenn der heilige Monat der Muslime in den Sommer der Nordhalbkugel fällt, ist die Zeit zwischen letztem und erstem Trinken und Essen lang. "Wie halten es da Muslime zum Beispiel in Stockholm oder gar nördlich des Polarkreises, wenn die Sonne nicht hinter dem Horizont versinkt?" Auf diese Frage weiß keiner eine Antwort. Dilek erzählt von einem Mann, der im Ramadan zugenommen hat. "Es ist bei uns ein Brauch in vielen Familien, dass beim Fastenbrechen üppig gegessen wird. Aber das ist nur ein Brauch", fährt sie fort. "Im Ramadan soll man leben wie die Armen und nur einfache Speisen essen." Deshalb ist es auch üblich, arme Menschen besonders zu unterstützen. "Die Ditib (Dachverband der türkischen Moscheen, Anm. der Redaktion) hat festgelegt, dass man mindestens zehn Euro pro Person spendet, entweder direkt an Bedürftige, die man kennt, oder über den Bankweg an die Moschee, die die Gelder dann weiterleitet", erklärt Dilek weiter.

"Genug Gläser für das Wasser?"

Langsam ist es an der Zeit, den Tisch zu decken. "Haben wir genug Gläser für das Wasser?", stellt Gülderen die wichtigste Frage, denn das Fastenbrechen beginnt mit Trinken. "Danach isst man Datteln; in vielen Familien wird dann eine Suppe serviert. Ich mache lieber einen Salat." Und anschließend gehen viele Muslime zum Gebet in die Moschee, ganz besonders in den letzten zehn Tagen des Ramadan. Sie gelten als besonders heilig, denn sie erinnern daran, dass der Engel Gabriel in der Kadir-Nacht den Koran diktiert hat.

Manche übertreiben es

Erst danach isst man weiter. Dabei übertreiben es manche, wie Dilek schon erzählt hat. In gewisser Weise kann man das verstehen, schaut man sich die Köstlichkeiten an, die vor allem die Türkinnen mitgebracht haben. Aus einfachen Zutaten wie Bulgur oder Tomaten sind die Fella-Köfte. "Das ist eine Spezialität aus Antalya. Das kennt man auch in Syrien", schlägt Gülderen einen Bogen in den arabischen Kulturkreis. Zucchini, Zwiebel, Knoblauch und Ei werden herausgebacken und kalt gegessen. "Das sind türkische Baggers", bietet sie sie rund um den Tisch an. Und Süßes gibt es natürlich auch. Ein klein wenig bescheidener als sonst, ohne den beliebten Sirup zum Übergießen.