Druckartikel: "Es wird nie wieder vorkommen"

"Es wird nie wieder vorkommen"


Autor: Udo Güldner

LKR Bamberg, Freitag, 22. Juni 2018

Ein mildes Urteil verhängte die Jugendschutzkammer am Amtsgericht Bamberg gegen einen 39-jährigen anerkannten Asylbewerber. Der Afghane hatte sich unsittlich einem Jugendlichen genähert.
Ein Jahr auf Bewährung: Der Amtsrichter schickte den Angeklagten erst einmal nicht ins Gefängnis. Foto: Ferdinand Merzbach


Nach einem sexuellen Übergriff und einem sexuellen Missbrauch an einem Jugendlichen muss ein arbeitsloser Mann aus Afghanistan bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung erst einmal nicht ins Gefängnis. Auch gemeinnützige Arbeit muss er nicht leisten, obwohl das der Anklagevertreter gefordert hatte.
Er wollte den Flüchtlingen in der Nachbarschaft nur helfen, die deutsche Sprache zu lernen. So ging der damals 14-jährige Tom (Name geändert) in die nahe gelegene Asylbewerberunterkunft irgendwo im Landkreis Bamberg.
Um Toms Identität zu schützen, muss der genaue Ort im Dunkel bleiben. Doch der Nachmittag im Sommer 2016 wurde für den Jugendlichen zum traumatischen Erlebnis.
Kaum hatte er begonnen, dem 39-jährigen Muktar (Name ebenfalls geändert) in dessen Zimmer das Alphabet zu erklären, begann der Asylbewerber, der am Hindukusch nie eine Schule besucht hatte, den Jungen zu berühren. Dann hielt er ihn am T-Shirt fest, um ihn ins Gesicht und auf die Brust zu küssen. Auch auf klare Widerworte wie "Ich mag das nicht!" reagierte Muktar nicht. Schließlich kam es so weit, dass er die eigene Hose öffnete und seinen erigierten Penis hervorholte. Den sollte Tom dann anfassen. Schließlich zog der Ältere dem Jüngeren gegen dessen Willen auch noch die kurze Sporthose herunter. Weiter kam der Angeklagte aber nicht, weil sein Opfer sich nun massiv wehrte, ihm einen Kopfstoß gegen die Nase versetzte und den Raum verlassen konnte.


Richter mit klarer Ansage

Weil Muktar den Schüler einerseits festgehalten und andererseits die Zimmertüre versperrt hatte, um ungestört mit dem Jungen zu sein, verurteilte Amtsrichter Martin Waschner ihn wegen sexueller Nötigung (Einsatz von Zwang oder Gewalt) und sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen. "So etwas geht bei uns gar nicht. Die sexuelle Selbstbestimmung und der Schutz Minderjähriger sind ein sehr hohes Gut. Wer als Gast hierherkommt, der muss sich an unsere Gepflogenheiten halten."
Amtsrichter Waschner war es aber auch, der mit großer Geduld versuchte, dem Angeklagten jeden Schritt des Verfahrens zu erklären und ihn auf verbotenes Verhalten hinzuweisen.
Zugunsten des Angeklagten wertete Staatsanwalt Thomas Heer dessen umfassendes Geständnis, das seinem Opfer die psychischen Strapazen einer Zeugenaussage ersparte. "Ihm war bereits die Aussage bei der Polizei sehr peinlich", so ein Zeuge. Dass der Angeklagte dazu bereit war, kostete seinen Pflichtverteidiger Werner Lüttge (Bamberg) allerdings einiges an Überredungs- und Überzeugungskunst. Denn anfangs hatte es noch so ausgesehen, als ob Muktar alles abstreiten und es auf eine Konfrontation mit seinem minderjährigen Opfer ankommen lassen wollte. Als er den Ernst der Lage eingesehen hatte, rang er sich sogar zu einer Entschuldigung durch - und der Versicherung, so etwas werde nie wieder vorkommen.
Außerdem war der Angeklagte nicht vorbestraft, wobei allerdings ein ähnlich gelagerter Fall eines sexuellen Übergriffs (ohne Zwang oder Gewalt) im Jahr 2015 zur Sprache kam, der nicht angezeigt worden war. Der heute 16-jährige Tom hatte zudem keine schweren körperlichen oder seelischen Schäden, wie ein Beamter der Kriminalpolizei Bamberg bestätigte.
Bei den Bewährungsauflagen tat sich das dreiköpfige Schöffengericht schwer und verzichtete auf Arbeitsstunden. Der derzeit obdachlose Muktar müsse sich aber in absehbarer Zeit eine Wohnung suchen und nach Arbeit Ausschau halten. Nur beim umfassenden Kontaktverbot Muktars mit Tom waren sich alle einig, auch der Nebenkläger-Anwalt Dieter Widmann (Bamberg), der von "einer entsprechenden Veranlagung" des Angeklagten sprach. "Hören Sie damit auf, oder Sie werden beim nächsten Mal für lange Zeit eingesperrt."
Muktar selbst wurde noch während der Urteilsbegründung laut und beschwerte sich, dass man einem Jugendlichen mehr glaube als einem Erwachsenen. Er jedenfalls werde wieder zurück nach Afghanistan gehen, auch wenn die Taliban ihm wegen seiner Tätigkeit für die Nato-Truppen gedroht hätten, ihn zu köpfen.