Es sind die Mauern unsrer Zeit
Autor: Michael Busch
Herzogenaurach, Donnerstag, 06. November 2014
Gedenktag Es gibt Mauern, die sind sofort jedem bekannt. Die Berliner Mauer, die Chinesische Mauer - entweder bewundert oder verachtet. Weniger bekannt sind die Mauern vor der Haustüre, obwohl diese eine wichtige Rolle im Leben spielen.
von unserem Redaktionsmitglied
Michael Busch
Erlangen-Höchstadt — Eine Mauer - lateinisch murus - ist eine massive Wand aus Mauerwerk. Umgangssprachlich ist damit meist eine freistehende Mauer gemeint. Die Definition aus dem Lexikon ist klar. Und weiter heißt es: "Mauern haben die Funktion, Bereiche räumlich zu trennen oder zu begrenzen. Damit verbunden ist meist eine ordnende oder eine Schutz-Funktion, wie Windschutz, Sichtschutz, Schutz vor Flucht, Schutz vor Einbrechern, Schutz vor militärischem Angriff oder Gewalt, Schutz vor wilden Tieren, Schutz vor Hochwasser oder anderen Naturgewalten."
1. Momentan ist die Mauer wieder in aller Munde. Vor 25 Jahren ist diese nämlich gefallen, also die "Berliner Mauer". Grund genug sich mal um die eigenen Mauern vor der Haustür zu kümmern.
Wo haben wir diese denn im Landkreis und welchen Bestand haben sie? Als Grundlage gilt die Berliner Mauer, die immerhin 28 Jahre überdauerte, 160 Kilometer lang war und 14 Öffnungen hatte, um die Seiten zu wechseln.
2. Eine eher schöne Mauer ist die Außenwand einer bedeutenden Kirche. Diese steht in Hannberg. Die dortige Wehrkirche ist mit den Ausmaßen 73,5 mal 56,2 Meter die drittgrößte Kirchenburg Deutschlands. Die Kirchenmauern spielen eine wichtige Rolle. Denn eine Besonderheit der sakralen Wehranlage ist das moderne Verteidigungskonzept. Wehrtürme, deren Mauern mit Schießscharten nach innen und außen ausgestattet waren, gaben der Bevölkerung auch innerhalb der Anlage den nötigen Schutz. Um die Mauer zu "überwinden", musste man einen unterirdischen Gang nutzen, der das Kirchengebäude mit der Außenwelt verband.
3. Eine ganz andere Mauer findet sich in Erlangen.
Da beschützen die Mauern Menschen voneinander. Es sind die Mauern, die die Justizanstalt umgeben. Es klingt zunächst paradox: Die Vollzugsanstalt Erlangen in der Schuhstraße ist eine bei "schweren Jungs" gefragte Einrichtung. Der Grund: Dort hat man sich auf die sozialtherapeutische Behandlung von Gewalttätern spezialisiert. Für die 41 Haftplätze steht ein zehnköpfiges Team von Psychologen und Sozialpädagogen zur Verfügung. Zwei bis vier Jahre dauert die Therapie, während der sowohl einzeln als auch in Gruppen gearbeitet wird. "Bei Gewalttätern ist es wichtig, die besonderen Ursachen ihrer Aggressivität auszuloten und mit einem Anti-Gewalttraining gegenzusteuern", sagte Elsava Schöner, die ehemalige Leiterin der Justizvollzugsanstalt Erlangen. Über die umgebenden Mauern sagte sie allerdings nichts.
4. Eine besondere Mauer ist die Schallschutzmauer.
Wir finden diese an unseren Autobahnen und den Bahnstrecken. Auch hier ist das Lexikon ganz nüchtern: "Lärmschutzwände und Lärmschutzwälle werden benutzt, um Lärm, der von einer linienförmigen oder flächigen Schallquelle ausgeht (z. B. Straßen, Schienenwege, Fabrikanlagen), zu dämmen, so dass an einem zu schützenden Immissionsort der Lärm so weit abgeschwächt wird, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden. Diese können durch Maßnahmen des passiven Lärmschutzes ergänzt werden."
Überraschenderweise ist diese Art der Mauer eine der wenigen Arten, die gerne vermisst wird. Wollte die Berliner Mauer kaum einer haben, fordern immer mehr Bürger die Schallschutzmauer an den Verkehrsstrecken. Ralph Dotter aus Heßdorf wohnt unmittelbar an der A 3.
"Wir hätten gerne ein wenig mehr Ruhe, wir hätten gerne eine Mauer!" Ein Satz, der in der damaligen DDR eher verpönt gewesen wäre. In diesem Falle aber ein Wunsch, der eine gewisse Lärmminderung und damit wieder berechtigten Schutz verspricht.
5. Der amerikanische Dichter Mark Twain (siehe Zitat) hat wohl philosophisch betrachtet Recht, doch so manche Friedhofsmauer zeigt dem Betrachter, wie wichtig diese ist. Denn hier wird ähnlich der Berliner Mauer eine Grenze gezogen. Die zwischen Leben und Tod, zwischen Zukunft und Vergangenheit. Die Friedhofsmauer ist aber auch ein Anfang. Zyniker sagen an dieser Stelle: Der Anfang einer Horrorgeschichte; Pragmatiker: Der Anfang des Endes; und Optimisten: Der Anfang einer besseren Zeit. Und selbst Reinhard May besingt in seinem Titel "Friedhof" die Mauern: "Die Mauern unsrer Zeit; Les im geh'n die Inschrift auf der Friedhofsmauer.
Die Lektion, die sie mich schweigend lehrt, ist die grad geschwänzte Sitzung wert: Jedes Ding hat seine Zeit, nichts ist von Dauer!"
6. Eine Mauer bleibt dann noch zu erwähnen. Es ist die Mauer, die man nirgends sieht, aber leider überall entdeckt. Es ist die Mauer in den Köpfen. Es ist die frisch gebaute Mauer, die Vorurteile gegenüber den Flüchtlingen aus aller Welt manifestiert, die eigentlich nur Mauern entfliehen wollten. Es ist aber auch die Mauer, die Regionen auseinanderreißt. Da ist die Mauer zwischen den Höchstadtern und den Herzogenaurachern, die Mauer zwischen den Seebachgründern und den Erlangern, die Mauer zwischen Alt und Jung, zwischen Links und Rechts... Vermutlich sind das die Mauern, die sich am schwersten einreißen lassen.
Fast 30 Jahre haben die Deutschen gewartet, um eine Mauer, die Berliner Mauer, einzureißen, Im Landkreis gibt es Mauern, die sollen stehen bleiben. Es gibt aber auch Mauern, die abgerissen gehören. Wir sollten öfters mal an unsere Mauern denken. Spätestens an einem Gedenktag wie dem 9. November.