Es reicht vorne und hinten nicht
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Mittwoch, 27. November 2019
Eine Mutter erzählt, wie sie nach der Trennung von ihrem Mann in die Armut gerutscht ist. Fürs Sozialamt ist sie kein Härtefall, doch ihr Kühlschrank und ihr Alltag sprechen eine andere Sprache.
In drei Tagen wird die Rente überwiesen. Nach Abzug aller Verbindlichkeiten bleiben ihr 50 Euro bis zum 15. Dezember. 50 Euro, von denen die Frau ihren Sohn, sich und ihren Hund durchbringen muss. Dann wird das Kindergeld und der Unterhalt für ihren neunjährigen Sohn überwiesen - keine 500 Euro zusammen.
Weihnachten steht vor der Tür. Petra G. (Name von der Redaktion geändert) kämpft mit den Tränen. Weihnachten ist eine Baustelle mit vielen offenen Fragen: Werden wir uns einen Baum kaufen können oder ihn "irgendwie" besorgen? Von was soll ich Geschenke für meine Kinder bezahlen? Alle würden so gern Rouladen essen, aber wir können sie uns nicht leisten. Wie gut, dass der Kleine bei der Aktion Wunschbaum mitmachen konnte. Ihm wird ein Wunsch erfüllt werden.
"Dass ich einmal so weit sinke, hätte ich nicht gedacht!", sagt die 49-jährige Mutter von drei Kindern, die seit einem guten Jahr in Trennung von ihrem Mann lebt. Die beiden "Großen" sind beim Vater geblieben, kommen aber regelmäßig zu Besuch. 22 Jahre ist Petra G. verheiratet. Seit 2013 leidet sie an Depressionen und verbringt einmal jährlich mehrere Wochen in einer Klinik. Sie bezieht zu 100 Prozent Erwerbsminderungsrente und wird von der Familienhelferin Bettina Dörfling seit knapp zwei Jahren betreut - auch, weil der kleine Sohn Auffälligkeiten in der Schule zeigte und Hilfe brauchte.
Ehe am Ende
"Nach meinem letzten Klinikaufenthalt erklärte mir mein Mann, dass die Ehe am Ende sei und ich musste schnellstmöglich eine neue Wohnung finden", erzählt die Coburgerin offen. Damit begann sich auch die finanzielle Abwärtsspirale zu drehen.
Bettina Dörfling stand ihr von Anfang an zur Seite. Die Sozialpädagogin war positiv überrascht, dass Petra G. einen Vermieter überzeugen konnte und trotz der schlechten Lage auf dem Wohnungsmarkt eine Drei-Zimmer-Wohnung fand. Zunächst schien die Miete in Höhe von 560 Euro auch gut finanzierbar. Doch schon bald stellte sich heraus, dass 240 Euro an Nebenkosten noch dazu kamen.
Monatlich hat Petra G. knapp 1500 Euro zur Verfügung, 1049 Euro davon sind die Rente. Nach Abzug ihrer Kosten für Miete, Auto, Fernsehen und Handy bleiben ihr knapp 500 Euro zum Leben.
Fürs Amt unvorstellbar
Die 49-Jährige beantragte zunächst Wohngeld. Obwohl Bettina Dörfling in einem zusätzlichen Schreiben erläuterte, dass Petra G. tatsächlich keine weiteren Einkünfte hat, sehr sparsam lebt, Secondhand-Kleidung kauft und auf ihre Ausgaben achtet, wurde Wohngeld verwehrt. Nach Auflistung ihrer Einnahmen und Ausgaben hegte das Sozialamt Zweifel an der Glaubwürdigkeit, da ein Leben auf diesem Niveau nicht möglich sei.