Es ist seine letzte Chance
Autor: Jürgen Gärtner
Kulmbach, Freitag, 01. Dezember 2017
Entzug statt Knast: Seit seiner Jugend kann ein 33-Jähriger aus Kulmbach nicht von den Drogen lassen. Dass er nicht ins Gefängnis muss, dafür gab es mehrere Gründe.
Jürgen Gärtner
Bei Ermittlungen gegen syrische Drogenhändler war die Polizei dem Kulmbacher auf die Schliche gekommen. "Bei der Festnahme haben sie Angaben über ihre Abnehmer gemacht", erklärte ein Polizeioberkommissar am Freitag vor der Strafkammer des Landgerichts Bayreuth.
Unter den Abnehmern sei ein Mann gewesen, bei dem wiederum der Angeklagte seine Drogen gekauft hatte. Dem Kulmbacher wurde vorgeworfen, mehrmals Haschisch zwischen 500 und 700 Gramm erworben, damit gehandelt und einen Teil selbst konsumiert zu haben (Prozessauftakt war am Dienstag, wir berichteten in der Mittwochsausgabe).
Der Mann habe bei seiner Vernehmung im Großen und Ganzen gestanden und auch Angaben über weitere Abnehmer gemacht. Die seien teils bekannte Personen aus der Rauschgiftszene gewesen, gegen die schon Verfahren liefen, sagte der Beamte am zweiten Verhandlungstag des Prozesses, der am Freitag mit den Plädoyers und dem Urteil zu Ende ging.
Die Mitarbeit des Angeklagten würdigte Staatsanwalt Florian Losert. Der Kulmbacher sei im Gegensatz zu den Zeugen aus der Drogenszene glaubwürdig gewesen. "Es ist ein Phänomen, dass solche Zeugen bei der Polizei genaue Aussagen machen, aber vor Gericht plötzlich Gedächtnisverlust auftritt." Oder man müsse ihnen jedes Wort aus der Nase ziehen.
"Nur" Cannabisprodukte
Zugunsten des Angeklagten spreche aber nicht nur das Geständnis und die Hilfe bei den Ermittlungen, sondern auch die Tatsache, dass es sich "nur" um Cannabisprodukte gehandelt habe und nicht um härtere Drogen, betonte der Staatsanwalt. Hinzu komme, dass der Mann nicht aus reinem Gewinnstreben gehandelt habe, sondern seine Sucht, die er seit Jugendtagen habe, finanzieren wollte. Nachteilig wirke sich dagegen die Menge des Rauschgifts und das einschlägige Vorstrafenregister aus.
Staatsanwalt Losert forderte eine Gesamtstrafe von vier Jahren und acht Monaten Haft. Allerdings könne er - nachdem ein positives Gutachten eines medizinischen Sachverständigen vorliege - die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt befürworten. Begründung: "Wenn der Angeklagte nicht therapiert wird, besteht die Gefahr, dass er weiter Straftaten begeht."
Auf die Bemühungen seines Mandanten, alles aufzuklären, verwies Verteidiger Tobias Liebau. "Es sind nicht alle Angeklagten so", betonte er. Wichtig sei zudem die Entscheidung des Kulmbachers, an einer Therapie teilzunehmen. Er hielt drei Jahre Haft und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für schuld- und tatangemessen.
In seinem letzten Wort erklärte der Angeklagte: "Ich möchte die Therapie gut beenden und will, dass alles gut für mich wird." Diese "letzte Chance" gewährte ihm auch vorsitzender Richter Michael Eckstein, der eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängte wegen Handels, Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen.
Er ordnete die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Zudem wurden 3000 Euro, die der Angeklagte in bar in seiner Wohnung aufbewahrt hatte, als Wert aus seinen Drogengeschäften eingezogen.
Schon im Verlauf der Verhandlung hatte er gewarnt: "Wenn Sie es jetzt nicht packen, gehören Sie der Katz'. Sie haben eine absolut realistische Chance, es liegt an Ihnen." Wenn der Angeklagte die zweijährige Therapie mit Erfolg hinter sich bringt, wird der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.