Erkundungsritt zweier Studenten
Autor: Reinhard Löwisch
Muggendorf, Montag, 01. Oktober 2018
Vor 125 Jahren entdeckten die Schriftsteller Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck die Fränkische Schweiz. Nicht ahnend begründeten ihre Reisebeschreibungen die Epoche der deutschen Romantik in der Literatur mit.
Das Jahr 1793 war europaweit geprägt von kriegerischen Einflüssen. Während der frühere König Ludwig XVI. von Frankreich hingerichtet wird und in der Schlacht bei Pirmasens die französische Moselarmee eine schwere Niederlage gegen Preußen erleidet, machen sich zwei junge Erlanger Studenten, geborene Berliner, zu Pferd auf eine zwölftägige Urlaubs- und Entdeckungsreise durch Franken, die später einmal als "Pfingstreise" in die literarischen Annalen einging.
Quasi nebenbei folgten sie einem wachsenden Trend der romantisierenden Verklärung mittelalterlicher Landschaften, was zur Folge hatte, dass sie erstmals die landschaftliche Schönheit der Fränkische Schweiz in höchsten Tönen lobten und damit den Tourismus in der Region - und das bayernweit - in Gang setzten.
Auf Reisen
Nebenbei gelten die beiden Reisenden heute als Mitbegründer der deutschen Romantik, einer kulturgeschichtlichen Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein andauerte.
Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck hießen die zwei 20 Jahre jungen Studenten die, wie es damals für gute preußische Patrioten Pflicht war, einige Semester an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen immatrikuliert waren. Am Freitag vor Pfingsten (2. Juni) 1793 unternahmen die beiden Poeten (mit dem druckfrischen Reisetagebuch des Hofmeisters Johann Michael Füssel in der Tasche) hoch zu Ross einen zwölftägigen Erkundungsritt durch die Fränkische Schweiz, den Frankenwald und das Fichtelgebirge.
Über Baiersdorf
Über Baiersdorf, Ebermannstadt, Muggendorf und Streitberg kamen sie nach Hollfeld und über Wonsees und Sanspareil weiter ins bayreuthische Gebiet. Einer Sitte des 18. Jahrhunderts entsprechend, verlangten die Eltern Wackenroders ausführliche Berichte mit geographischen und volkswirtschaftlichen Angaben, damit der Sohn von seinen Reisen "den rechten Nutzen" hatte.
Ludwig Tieck widmete die ausführliche Beschreibung seiner "Reise nach dem Fichtelgebirge" dem Freund Bernhardi mit der Bitte, die Briefe auch an die Schwester Ludwig Tiecks weiterzugeben, der er schon lange nicht mehr geschrieben hatte. Beide konnten damals nicht ahnen, dass ihre Reisebeschreibungen die Epoche der deutschen Romantik in der Literatur mitbegründeten.
Kontaktfreudig, verschlossen
Ludwig Tieck, (1773 - 1853) Sohn eines Berliner Seilermeisters, dereinst als "König der Romantik" gepriesen und nach dem Tode Johann Wolfgang von Goethe als dessen legitimer Nachfolger in der Literaturwelt angesehen, verband schon in früher Jugend eine innige Freundschaft mit dem gleichaltrigen Wackenroder (1773 - 1798), mit dem er bis zu dem frühen Tod seines Freundes viele gemeinsame Wege ging. Tiecks Kontaktfreudigkeit, die im krassen Gegensatz zum etwas verschlossenen Wackenroder stand, schlug sich auch in dessen Beschreibungen nieder.