Druckartikel: Er war die gute Seele der Schule

Er war die gute Seele der Schule


Autor: Mona Lisa Eigenfeld

Höchstadt a. d. Aisch, Montag, 08. Dezember 2014

Interview  Paul Lau war 34 Jahre lang Hausmeister am Gymnasium Höchstadt und Ansprechpartner für Schüler und Lehrer in allen Lebenslagen. An diese Zeit erinnert er sich im Gespräch.
Das Gymnasium betritt Paul Lau inzwischen nur noch als Gast.  Foto: Mona Lisa Eigenfeld


Höchstadt — Wenn Paul Lau über seine Zeit am Gymnasium Höchstadt berichtet, dann tut er das stets mit einem gewissen Funkeln in den Augen. 34 Jahre lang war er nicht nur Hausmeister der Schule, sondern für Generationen von Schülern und Lehrern auch Freund und Ansprechpartner in allen Lebenslagen. Im Oktober verabschiedete sich der 63-Jährige in den Ruhestand.

In Höchstadt sind Sie allseits als Hausmeister des Gymnasiums bekannt. Doch wo waren Sie vor Ihrer Anstellung dort tätig?
Paul Lau: Ich bin gelernter Maler. In diesem Beruf war ich allerdings nicht lange aktiv, sondern habe stattdessen in eine Schreinerei gewechselt. Später habe ich mich in einer Firma für Sprinkleranlagen vom Bauhelfer zum Schweißer hochgearbeitet. Weil mir mein Rücken nach zehn Jahren schon stark zu schaffen machte, riet mir mein Arzt dazu, mir etwas Ruhigeres zu suchen. Nur aus Spaß habe ich mich dann an der Fachakademie in Höchstadt für den Hausmeisterposten beworben. Kurze Zeit später erhielt ich die Nachricht, dass am Gymnasium aufgrund der steigenden Schülerzahl ein zweiter Hausmeister gesucht wird. Dabei war ich mit gerade einmal 29 Jahren eigentlich zu jung für die Stelle.
Wie sahen Ihre Anfänge am Gymnasium aus?
Bedingung war erstmal, dass ich mit meiner Frau Christine, die zuvor als Krankenschwester gearbeitet hatte, eine Wohnung im Schulgebäude beziehe. Ich selbst hatte am Anfang nur Schraubenzieher und Zange. Nach drei Jahren übernahmen wir alle Aufgaben und auch meine Frau wurde fest angestellt, nachdem mein Vorgänger in Pension gegangen war. Sie kümmerte sich in erster Linie um den Pausenverkauf. Ich selbst war früher noch Chef von bis zu acht Reinigungskräften. Heute sind dafür externe Firmen zuständig, die sich um jeden Quadratmeter schlagen.

Wie haben sich die Schüler seit 1980 verändert?
Ich erinnere mich, dass die Fünftklässler zu meinen Anfangszeiten den Westbau nicht verlassen durften. Sie hatten sogar einen eigenen Pausenverkauf. Das hat sich bei mir dann geändert. Die freiere Erziehung sorgte außerdem dafür, dass die Kinder selbstbewusster wurden und weniger Respekt vor älteren Schülern hatten. Ich selbst wurde aber von Anfang an akzeptiert und konnte mich immer ohne große Probleme durchsetzen. Insgesamt musste ich mit höchstens drei Schülern zum Direktor, um ernstere Vorkommnisse zu melden. Was mir nicht so gefällt, sind die Veränderungen im Rahmen der Abiturfeierlichkeiten. Die werden immer mehr zur Selbstinszenierung der Absolventen.

Gibt es etwas, das sich seit Ihrer Anfangszeit nicht geändert hat?
Ja, die Überflussgesellschaft. In den Sommerferien habe ich jedes Jahr bis zu fünf Säcke mit liegen gebliebenen Klamotten und Schuhen gefüllt. Abgeholt wurde davon quasi nichts, sodass ich die Sachen an Bedürftige weitergegeben habe. Aber auch Uhren, Zahnspangen, Brillen und sogar Handys wurden oft nicht abgeholt. Das interessiert keinen. Papa zahlt ja.

Sie haben etwa 3500 Schüler auf ihrem Weg zum Abitur begleitet. Wie viele davon kennen Sie heute noch?
Die Gesichter kenne ich alle - ob ich sie nun in Nürnberg, Bamberg oder Höchstadt auf der Straße treffe. Mit Namen tue ich mir da schon schwerer. Da kenne ich vielleicht noch 20.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu den Schülern beschreiben?
Sehr warmherzig. Für viele von ihnen war ich eine Art Vaterfigur. Wenn jemand Probleme in der Schule hatte oder Liebeskummer, konnte er jederzeit zu mir oder meiner Frau kommen. Ohne meine Frau hätte ich diesen Job auch nie so gut machen können.

Am Ende haben Sie aber nicht mehr in der Schule gewohnt. Warum?
Vor fünf Jahren wurde die so genannte Residenzpflicht für Hausmeister an Schulen aufgehoben. Da wir schon vor zehn Jahren eine Eigentumswohnung in Höchstadt-Süd gekauft hatten, erschien uns der Zeitpunkt für einen Umzug günstig. Der damalige Direktor gab sein Einverständnis, solange die Schule unter dieser Änderung nicht leiden würde.

Vor allem in den letzten Jahren hat sich Ihr Aufgabengebiet um neue Technologien erweitert. Wie empfanden Sie diese Veränderung?
Um ehrlich zu sein, bin ich froh, nicht mehr Hausmeister zu sein. Heute muss man ein echter Computerfachmann sein, um diesen Job zu machen. Allein im Neubau haben wir nun 16 so genannte Smartboards. Und auch die Heizungen sind nur noch computergesteuert. Das erfordert jede Menge Fachwissen.

Was ist das Besondere am Gymnasium Höchstadt?
Meiner Meinung nach gibt es keine andere Schule, in der es so harmonisch zugeht. Wir sind immer eine tolle Landschule gewesen mit einer echten Schulfamilie. Viele ehemalige Schüler kommen später als Lehrkraft wieder. In Erinnerung geblieben sind mir vor allem die schönen Theateraufführungen. Gerührt haben mich aber auch Schüler, die mir einen Oscar für den "Besten Hausmeister der Welt" geschenkt haben.

Was hat sich aus Ihrer Sicht durch die Einführung des G8 geändert?
Die Schüler haben weniger Freizeit und können sich dadurch nicht so gut ausleben. Der Leistungsdruck nimmt zu und der Kreativität werden mehr Grenzen gesetzt. Früher ging es viel lockerer zu.

Wie ergeht es Ihnen im Ruhestand?
Langweilig wird mir jedenfalls nicht. Ich genieße meine neu gewonnene Freiheit und den Luxus, nicht ständig auf die Uhr schauen zu müssen. Außerdem habe ich zwei tolle Enkelkinder, mit denen ich viel Zeit verbringe.

Haben Sie Ihrem Nachfolger Heiko Meller Tipps gegeben?
Konkrete Tipps nicht. Ich habe ihn nur wissen lassen, dass der Beruf weitaus mehr ist als ein Acht-Stunden-Tag und man über ein hohes Maß an Flexibilität verfügen sollte.

Bekommt das Gymnasium Sie trotzdem noch zu Gesicht?
Auf jeden Fall. Wenn es Fragen gibt, bin ich für meinen Nachfolger jederzeit erreichbar. Außerdem werde ich zu Weihnachtsfeiern eingeladen und halte Kontakt zu vielen ehemaligen Weggefährten. Auf eine offizielle Verabschiedung habe ich aber bewusst verzichtet. Da würde ich nur rührselig werden.

Das Gespräch führte
Mona Lisa Eigenfeld