Druckartikel: "Er hat mich vergewaltigt" Prozess  Ein 35-Jähriger soll im Kreis Haßberge seine heute 14 Jahre alte Stieftochter mehrfach zum Sex gezwungen haben. Jetzt muss sich der Angeklagte vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Bamberg verantworten.

"Er hat mich vergewaltigt" Prozess  Ein 35-Jähriger soll im Kreis Haßberge seine heute 14 Jahre alte Stieftochter mehrfach zum Sex gezwungen haben. Jetzt muss sich der Angeklagte vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Bamberg verantworten.


Autor: Philipp Demling

LKR Haßberge, Donnerstag, 23. Juli 2015

Prozess  Ein 35-Jähriger soll im Kreis Haßberge seine heute 14 Jahre alte Stieftochter mehrfach zum Sex gezwungen haben. Jetzt muss sich der Angeklagte vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Bamberg verantworten.


von unserem Mitarbeiter Philipp Demling

Bamberg/Kreis Haßberge — Oktober 2014, ein sonniger Spätnachmittag in einem Dorf im Kreis Haßberge: Ein Paar um die 50 sitzt vor dem gemeinsamen Haus, als die 13-jährige Chiara S. (Namen der Beteiligten geändert) vorbeikommt. Die beiden kennen das Mädchen aus der Nachbarschaft. "Dich habe ich ja lange nicht gesehen", sagt die Frau. Chiara erzählt, die Familie sei weggezogen, sie besuche gerade ihre Oma.
Außerdem wohne sie jetzt in einer Pflegefamilie. "Warum das denn?", fragt die 50-jährige Frau. Das schüchterne, bedrückt wirkende Mädchen beginnt zu weinen. "Wegen meinem Stiefpapa", antwortet es. "Er hat mich geschlagen." Chiara stockt. "Und noch mehr." Was sie denn damit meine, will die ehemalige Nachbarin wissen. "Er hat mich vergewaltigt", antwortet Chiara. Auf Nachfrage der Bekannten erzählt das Mädchen in kindlichen Worten, was der Stiefpapa in ihrem Zimmer mit ihr gemacht habe. Und dass es öfter vorgekommen sei. Und dass er ihr mehrfach befohlen habe, auf einen "Zettel" zu pinkeln. "Das konnte für mich nur ein Schwangerschaftstest sein", erzählte die 50-Jährige gestern der Großen Jugendkammer des Landgerichts Bamberg.

"Ich bin sofort auf 180"

Ihr Lebensgefährte verständigte noch am selben Abend die Polizei. "Ich bin sofort auf 180, wenn ich von Leuten hör', die sich an Frauen oder Kindern vergehen", sagt er. Chiaras Stiefvater Ronny S. kannte er kaum.
Spät am Abend bekam das Paar, dem sich das Kind offenbart hatte, einen verärgerten Anruf von dessen Pflegemutter. Was ihnen einfiele, sich einzumischen, soll sie am Telefon gesagt haben. Ob sie überhaupt wüssten, was jetzt auf das Kind zukomme. "Ich finde, sie hätten erst mit uns reden sollen, anstatt gleich zur Polizei zu gehen", sagt die Frau im Prozess.
Ihr selbst hatte Chiara bereits im August von den sexuellen Übergriffen des Stiefvaters erzählt. Zu dieser Zeit lebte sie schon ein halbes Jahr in der Pflegefamilie. Im Februar 2014 begab sie sich selbst in die Obhut des Jugendamtes in Haßfurt. Vorher hatte das Mädchen mit Mutter, Stiefvater und dem 2013 geborenen Halbbruder zusammengelebt. Als es die Familie verließ, war ihre Mutter erneut schwanger.
"Ich habe gesagt: Wir müssen zur Polizei gehen", schildert die 59-jährige Pflegemutter ihre Reaktion auf das, was ihr Chiara anvertraut hatte. Nur mit Mühe habe sie das Mädchen dazu überreden können. Allerdings wollten sie mit der Anzeige noch warten, weil sich das Kind damit überfordert fühlte, eine Aussage bei der Polizei machen zu müssen. Zunächst informierten sie das Jugendamt.
Ihrer Pflegemutter erzählte die damals 13-Jährige noch mehr: dass sie zu Hause kochen, mit dem Hund Gassi gehen, einkaufen musste - und dass sie sich zur Schulzeit ihr Essen oft im Müll suchte, weil sie von zu Hause nichts mitbekam. Oder dass Mutter und Stiefvater sie in ihrem Zimmer einsperrten, wenn sie außer Haus gingen. Außerdem sagt die Pflegemutter über Chiara: "Sie ist sexuell völlig unaufgeklärt. Sie wusste überhaupt nicht, was ihr Stiefvater mit ihr gemacht hat."

In Untersuchungshaft

Der Angeklagte Ronny S. wurde im November 2014 festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Einem psychiatrischen Gutachter gegenüber soll er die Sexualtaten teilweise zugegeben haben, vor Gericht schweigt er bisher zu den Vorwürfen. Nur zu seiner Person macht er Angaben: Er ist 35 Jahre alt ... Chiaras Mutter lernte er 2011 über das Internet kennen und zog zwei Monate später zu ihr in den Landkreis Haßberge. Dafür hatte er nach eigenen Worten sogar seinen Job in München aufgegeben. Kurz danach heirateten sie und bekamen drei weitere Kinder.
Warum seine Stieftochter die Familie verlassen hat, erklärt Ronny S. so: "Sie ist angeblich mit mir nicht klargekommen. Sie hatte anscheinend Angst vor mir."
Chiaras Mutter, erzählt eine Mitarbeiterin des Jugendamtes, habe sich in den fast eineinhalb Jahren, seit ihre Tochter weg ist, nie darum bemüht, das Mädchen zu sehen. "Chiara wollte sich mehrfach mit ihr treffen", sagt die Beamtin. "Aber die Mutter hat immer die Bedingung gestellt, dass der Stiefvater auch dabei ist." Das habe die Tochter vehement abgelehnt. Der Prozess geht heute weiter.