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Emotionale Fachdiskussion: Das Bundesteilhabegesetz kam in Haßfurt auf den Prüfstand


Autor: Friederike Stark

Haßfurt, Donnerstag, 06. Oktober 2016

Friederike Stark Es ist ein facettenreiches und vielfältiges Thema, das am Donnerstag intensiv in Augsfeld diskutiert wurde: das neue Bundesteilhabegesetz. ...
Die beiden Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (links) und Astrid Freudenstein (beide CSU) hörten sich gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Lebenshilfe Haßberge, Thomas Sechser, in Augsfeld die Anliegen der Anwesenden zum neuen Bundesteilhabegesetz an.  Foto: Friederike Stark


Friederike Stark

Es ist ein facettenreiches und vielfältiges Thema, das am Donnerstag intensiv in Augsfeld diskutiert wurde: das neue Bundesteilhabegesetz. Ein Begriff, der erst einmal nicht erahnen lässt, wie viel emotionale Wucht dahinter steckt.
Denn es betrifft eine Personengruppe, die selbst sehr facettenreich und vielfältig ist: Menschen mit Behinderung. Konkret will die Regierung mit dem neuen Gesetz "mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung und mehr Effizienz bei der Eingliederungshilfe erreichen", wie es in einer Pressemitteilung der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU) anlässlich des Fachvortrages heißt.


Anliegen weitergeben

Die Abgeordnete der Landkreise Bad Kissingen, Haßberge und Rhön-Grabfeld hatte gemeinsam mit den Lebenshilfen der Region Main-Rhön, vertreten durch den Vorsitzenden der Lebenshilfe Haßberge, Thomas Sechser, zu diesem öffentlichen Fachgespräch zum neuen Bundesteilhabegesetz eingeladen.
Rede und Antwort stand in erster Linie aber die in der CSU-Landesgruppe zuständige Fachpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Astrid Freudenstein aus Regensburg. Sie ist laut Pressemitteilung unmittelbar in die Beratungen zum neuen Gesetz involviert. Sie versprach denn auch, "die hier vorgetragenen Anliegen mitzunehmen und weiterzugeben".


Quadratur des Kreises

Bär sagte aber auch, dass es "die Quadratur des Kreises ist, ein Gesetz zu finden, das auf alle zugeschnitten ist". Und dies sei ganz besonders bei einem Gesetz für Menschen mit Behinderung der Fall."Schließlich gibt es unzählige unterschiedliche Formen von Behinderung", erklärte die parlamentarische Staatssekretärin. Dennoch wolle man diese Fachdiskussion nutzen, um die Interessen der betroffenen Menschen vor Ort umfassend in den Gesetzgebungsprozess mit einzubinden, sagte sie.
Und dieses Angebot nahmen die Gäste, darunter viele Vertreter der Lebenshilfen und Caritasverbände der drei Landkreise Haßberge, Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen, umfassend an. Zwar versuchte Freudenstein den Gästen noch, den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie sagte, sie wisse "um die Baustellen im Gesetz". Doch davon ließen sich die Anwesenden wenig beeindrucken.
So hatte Bernd Hermann, ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Lebenshilfe Haßberge, gleich mehrere Kritikpunkte vorzutragen. Seine Sorge teilte er sich mit fast allen Anwesenden: Das Gesetz werde bestimmten Personengruppen nicht helfen, sondern ganz im Gegenteil weitere Nachteile bedeuten. "Uns machen auch die neuen Kriterien, die entscheiden, wer Eingliederungshilfe erhält, Bauchschmerzen", sagte Hermann und erhielt Zustimmung aus dem Publikum. Die Kritik Hermanns: Die neuen Kriterien würden sich nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen.


Übergangszeit sinnvoll nutzen

Ein Vorwurf, den Freudenstein versuchte zu entkräften: "Wir wollen das Gesetz bis Weihnachten verabschieden, doch bis die neuen Kriterien greifen, dauert es bis 2020." Man könne die drei Jahre nutzen, um zu überprüfen, ob diese Kriterien einen Praxistest überstehen.
Viel Kritik zum Gesetz musste Freudenstein auch von Edwin Gehrung aus Schweinfurt hinnehmen. Der Vater eines geistig behinderten Sohnes und Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Angehörigenvertretungen in Caritaseinrichtungen der Behindertenhilfe (BACB) hatte sich intensiv mit dem Gesetz beschäftigt. "Seit Weihnachten brüte ich fast täglich zwei Stunden über dem Gesetz", sagte er. Auch er habe Sorge, dass mit dem Gesetz nur denjenigen geholfen wird, die schon jetzt gut eingegliedert sind. "Aber was ist mit den Menschen mit mehrfacher oder schwerer geistiger Behinderung?", fragte er in Richtung Freudenstein. Diese Menschen würden seiner Meinung nach noch stärker benachteiligt, da entscheidende Leistungen, wie etwa für die Pflege, mit dem neuen Gesetz gedeckelt oder gekürzt würden.
Freudenstein und Bär waren bemüht, alle angesprochenen Punkte zu diskutieren und mit nach Berlin zu nehmen. Dorothee Bär bot zudem den Anwesenden an, ihre Anliegen und Kritikpunkte ihr zuzuschicken. "Ich werde diese den am Gesetz Beteiligten geben, so dass möglicherweise Ideen mit aufgenommen werden können" , sagte Bär