Druckartikel: Einst Schutzraum für die Kinder

Einst Schutzraum für die Kinder


Autor: Hans Franz

Steinbach am Wald, Donnerstag, 01. August 2019

Der Heimat- und Wanderverein Frankenlust in Wallenfels besteht seit 100 Jahren. Das Jubiläum wird beim Bergfest an diesem Wochenende an der Wanderhütte "Herrgottswinkel" gefeiert. Deren Entstehung ist eine interessante Geschichte.
Die Wanderhütte beim Herrgottswinkel von Wallenfels des Heimatvereins Frankenlust.  Foto: Hans Franz


Wallenfels —  Nicht nur bei der Kirchweih in Erlangen ruft der Berg. An diesem Wochenende trifft dies auch auf Wallenfels zu. Konkret ist es der hoch über der Stadt gelegene sogenannte "Herrgottswinkel", wo am Sonntag, 4. August, bei der dortigen Wanderhütte das traditionelle Bergfest stattfindet. Doch in diesem Jahr stehen die Feierlichkeiten unter einem besonderen Stern: Der Heimat- und Wanderverein Frankenlust, der Eigentümer der Wanderhütte und des Areals ist, blickt nämlich auf sein 100-jähriges Bestehen zurück.

Aus diesem Anlass findet bereits am heutigen Freitag ab 19 Uhr ein Festkommers statt. Das eigentliche Bergfest zwei Tage später beginnt um 10 Uhr mit einem Gottesdienst unter der Mitwirkung des Musikvereins Wallenfels. Der Frühschoppen und das gemütliche Beisammensein bei Bewirtung durch die Hüttenwirtin Hilde Gleich und ihrem fleißigen Helferteam schließt sich an.

Inzwischen ist das idyllisch gelegene Fleckchen (417 Meter über NN) mit interessantem Blick ins westliche Tal der Wilden Rodach und zum Leutnitztal zu einem Wahrzeichen von Wallenfels geworden. Die Wanderhütte, die sowohl zu Fuß als auch mit dem Auto bequem zu erreichen und von Mitgliedern des Wandervereins errichtet worden ist, wurde im Mai 1962 eingeweiht. Seit Jahren kommen während der Sommermonate die Gäste zur Einkehr, um eine Brotzeit zu genießen und sich mit einem kühlen Getränk zu erfrischen.

Blick in die Vereinsgeschichte

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg kamen die jungen, zum großen Teil noch fronterfahrenen Männer infolge der damaligen Arbeitslosigkeit oft zusammen, besprachen ihre Kriegserlebnisse oder tauschten ihre Erfahrungen gegenseitig aus. Dabei erklangen auch viele alte und neue Volkslieder. Es bildete sich im Laufe der Zeit allmählich ein Kreis, der sich die Pflege des Volksliedes, alten Brauchtums, der Kameradschaft und der gemütlichen Geselligkeit zu Eigen machte. Letztlich waren es 23 Gleichgesinnte, die im August 1919 den heutigen Jubiläumsverein gründeten. Zweck und Ziele waren die Kameradschaft und Geselligkeit zu pflegen, das Wandern und den Volksgesang zu fördern.

Vom Jahr 1919 bis 1932 sind fünf Vereinsvorsitzende tätig. Im Dezember 1931 wurde Bartl Querfurth zum Ersten Vorsitzenden gewählt, der diese Tätigkeit bis 1972 ausübte. 41 Jahre an der Vereinsspitze dürften wohl einmalig in Wallenfels sein.

Aufgrund der damaligen schweren Zeit konnte sich der Verein wenig entfalten, doch die wenigen Mitglieder hielten fest zusammen. In den Kriegs- und Nachkriegsjahren von 1939 bis März 1949 ruhte naturgemäß die Vereinstätigkeit. Eine neue und erfolgreiche Ära begann mit der ersten Generalversammlung nach dem Zweiten Weltkrieg am 20. März 1949 mit einem Mitgliederstand von 37 Personen. In den Folgejahren wurde die Mitgliederwerbung intensiviert und bald wurde die Hunderter-Marke erreicht. Die Aufwärtsentwicklung spiegelte sich wider in zahlreichen Zusammenkünften, Veranstaltungen, Wanderungen und Busfahrten.

Bis zum Jahre 2016 drückte 24 Jahre lang Bernhard Schlee als Vorsitzender den Verein den Stempel auf, ehe er vom jetzigen Vorsitzenden Josef Schlee abgelöst wurde. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte die Frankenlust 75 Mitglieder. Erfreulicherweise konnte diese Zahl inzwischen auf aktuell 120 Personen erhöht werden. In den vergangenen 100 Jahren hatte die Frankenlust nur zwölf Vereinsvorsitzende. Dies zeugt von Engagement, Unterstützung, Kontinuität und Zufriedenheit.

Wie kam es zu dem Namen?

"Herrgottswinkel" - wie kam es zu diesem außergewöhnlichen Namen? Auf halber Höhe des Ailaberges war am Waldrand ein Kruzifix. Zu diesem ruhigen Fleckchen Erde mit herrlichem Blick auf Wallenfels führte die Klosterschwester vom Kindergarten, Concilia Seidel, ihre kleine Kinderschar oft hinauf. Sie konnten sich nach Herzenslust tummeln, abseits von Straße und Verkehr. Die Klosterschwester nannte in frommer Freude diesen stillen, schönen Platz "Herrgottswinkel". Diesen Namen brachten die Kinder mit nach Hause und der "Herrgottswinkel" war in aller Munde.

Ein Bub war verschwunden

Dann geschah etwas: An einem Sommertag kam eine aufgeregte Mutter zum Kindergarten und meldete bestürzt, ihr Bub sei nicht heimgekommen. Die alarmierte Feuerwehr startete eine Suchaktion. Ein Feuerwehrmann rutschte bei der Suchaktion in der Dunkelheit in eine kleine Mulde, spürte etwas Weiches, bückte sich tastend - es war der vermisste Bub. Er schlief ruhig und tief, trotz der lauten Rufe nach ihm. Dieses Ereignis und die prächtige Aussicht auf dem Heimatort, ließ den Gedanken zünden: Hier errichten wir einen Schutzraum für die Kleinen mit Kinderspielplatz und Spielgeräten.

Der Erwerb des "Herrgottswinkels", der Bau der Anlagen und der Wanderhütte war und ist eine Großtat der Frankenlust. Unendliche Schwierigkeiten mussten in elfjähriger Plan- und Bauzeit überwunden werden. 1962 war es soweit, dass mit einem Volksfest mit 2000 Besuchern die Hütte ihrer Bestimmung übergeben werden konnte. In der Folgezeit kamen unter anderem die Errichtung einer Muttergottesstatue am Kreuz, Kinderspielgeräte, Wasserleitungsanlagen, Stromzuleitung, Kanalanschluss an das städtische Abwassersystem, Kachelofeneinbau oder die Erweiterung des Parkplatzes hinzu. Immer wieder wurden Maßnahmen zur Erhaltung des "Herrgottswinkels" durchgeführt und heute noch ist dies eine Hauptaufgabe des Vereins. Seit 1964 sorgten die bisherigen Hüttenwirtinnen Berta Gleich bis zu ihrem Tod im April 1989 sowie ihre Tochter Hildegard Gleich für das leibliche Wohle der zahlreichen Gäste.

Flößertradition gefördert

In der Vorbereitungsphase zur 50-Jahr-Feier im Juli 1969 kam die Idee auf, die Flößerei während einer Schaufloßfahrt durch Wallenfels bis zum Sägewerk Müller-Zeiner wieder aufleben zu lassen und an die Flößerei zu erinnern. Nach Überwindung vielfältiger Schwierigkeiten und wochenlangen Verhandlungen mit allen möglichen Dienststellen war es dann soweit: Tausende Schaulustige standen entlang der Floßstrecke und schauten den alten Flößern zu. So kann die Frankenlust mit Recht behaupten, die alte Tradition aufgegriffen und das Fundament der heutigen Touristenflößerei gelegt zu haben.