Eine Zeitlang glücklich
Autor: Larissa Händel
Adelsdorf, Dienstag, 16. Oktober 2018
Sibylle Leimeister hat ein Buch über ihren Sommer auf der Alm geschrieben.
Einen Sommer auf einer Alm verbringen - das war schon lange der Lebenstraum von Sibylle Leimeister. Vor elf Jahren hat die mittlerweile 61-jährige Nürnbergerin die Gelegenheit beim Schopf gepackt und sich diesen Wunsch erfüllt. Ihre Erlebnisse hat sie nun in einem Buch veröffentlicht.
"Zeitlang" heißt es und spielt einerseits darauf an, dass Leimeister eine ganze Zeitlang darauf warten musste, bis sie ihren Traum verwirklichen konnte. "Ein Stellenwechsel stand bevor, die Kinder waren groß und mein Sohn zog für ein Jahr nach Australien", erinnert sie sich. "Das war der perfekte Zeitpunkt." "Zeitlang" ist aber auch das südtirolerische Wort für "Heimweh". Und das verspürte Leimeister schon manchmal, ganz im Gegensatz zu Langeweile, wie "Zeitlang" auch übersetzt werden kann.
Denn auf der Alm in Südtirol gab es alle Hände voll zu tun. 18 Milchkühe wollten gemolken und zahlreiche Jungtiere umsorgt werden. Im Anschluss hieß es dann Milch zentrifugieren und Butter und Käse herstellen. Ihre einzigen Helfer waren zwei 13- und 14-jährige Buben aus dem Dorf, die das Hüten und Melken übernahmen. "Ohne die beiden hätte es nicht funktioniert", ist sich Leimeister sicher.
Eine kleine Untertreibung
Die Agentur, die sie vermittelt hatte, hatte im Vorhinein auch von einem kleinen Ausschank für gelegentlich vorbeikommende Wanderer gesprochen, den es zu bewirtschaften galt. "Der kleine Ausschank entpuppte sich aber schnell als florierender Gastbetrieb, und die gelegentlich vorbeikommenden Wanderer kamen in Scharen", erzählt Leimeister. Nicht selten musste sie 60 bis 70 warme Essen am Tag zubereiten. Keine leichte Aufgabe, vor allem wenn man bedenkt, dass weder Strom noch Warmwasser zur Verfügung standen.
"Wenn es ganz schlimm wurde, bekam ich Hilfe von der Bäuerin und deren Tochter." Gerade der Bäuerin fiel es aber schwer, "ihre" Alm in fremde Hände abzugeben. Da ihr Mann krank war und sie sich im Dorf um ihn kümmern musste, blieb ihr jedoch nichts anderes übrig, als die Alm, auf der sie ihr Leben lang jeden Sommer verbracht hatte, jemand anderem anzuvertrauen. "Es war schwierig, es ihr recht zu machen, und wir hatten einige Auseinandersetzungen", sagt Leimeister. Nicht nur von der Bäuerin, auch von den Dorfbewohnern wurde sie argwöhnisch beäugt. "Ich war die erste Helferin, die von außerhalb kam. Das war schon eine kleine Sensation."
Auf der hoch gelegenen Alm kam es auch immer wieder zu Herausforderungen. Sei es das Wetter, das mitten im Sommer mit Schneefall und respektein-flößenden Gewittern aufwartete und sie zwang, Wanderer auch über Nacht aufzunehmen, oder ein gebrochener Arm bei einem der helfenden Jungen, so dass sie zusätzlich zur übrigen Arbeit auch noch die Kühe melken musste. Trotzdem haben die schönen Momente sie für alles entlohnt. "Wenn am Abend die Arbeit getan war und ich mir außen den Sternenhimmel ansehen konnte, war ich einfach nur glücklich."