Druckartikel: Eine Zeitkapsel des Klosterdorfs

Eine Zeitkapsel des Klosterdorfs


Autor: Matthias Einwag

Bad Staffelstein, Montag, 13. Juli 2015

forschung  Heinz Pfuhlmann möchte die Erinnerung an die Nachkriegsgeschichte von Kloster Banz wach halten. Er befragt Zeitzeugen, wie sie die Jahre zwischen 1945 und 1960 erlebten. Dabei kommen erstaunliche Berichte ans Licht.
Professor Bernd Wunder aus Konstanz blättert in Banz im Tagebuch seines Vaters Gerd Wunder; darin befinden sich Einträge aus Kloster Banz und Staffelstein vom April 1945.


von unserem Redaktionsmitglied 
Matthias Einwag

Kloster Banz — Bernd Wunder aus Konstanz steht auf der Maintalterrasse und erzählt. Von hier aus sah der emeritierte Professor als Sechsjähriger mit den Patienten des damaligen Militärlazaretts zu, wie US-Truppen im April 1945 Lichtenfels einnahmen. An die fachkundigen Kommentare der Patienten erinnert er sich noch heute.
Bernd Wunder ist auf Einladung von Heinz Pfuhlmann nach Banz gekommen. Mitgebracht hat er auch ein Tagebuch seines Vaters Gerd Wunder, in dem Einträge vom April 1945 stehen.
Heinz Pfuhlmann ist höchst interessiert an allem, was der Zeitzeuge vorliest und was er an Selbsterlebtem aus seiner Kindheit berichtet. Der ehemalige Schulleiter des Lichtenfelser Meranier-Gymnasiums hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Banzer Zeitgeschichte zu beleuchten, indem er die Erinnerungen von Zeitzeugen sammelt und festhält. "Förderung der Erinnerungskultur in der Region" nennt er das.
Dokumentieren und bewahren möchte er, was in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, also von 1945 bis 1960, geschehen ist. Das Dokumentieren, sagt er, geschehe mit Video- und Tonaufnahmen, denn das Gesagte "soll in Rohform erhalten bleiben", um den Wortlaut möglichst authentisch zu erhalten.
Ganz wichtig sind ihm die Menschen. "Wer hat eigentlich damals in Banz gelebt?", fragt er. Ihn interessiert, dass in Banz zu dieser Zeit Hunderte von Menschen lebten, das Kloster also ein kleines Dorf gewesen ist.

Zwei verschiedene Bereiche

"Das Modell Klosterdorf finde ich faszinierend", sagt Heinz Pfuhlmann. Bei seinen Recherchen hat er herausgefunden, dass es in Banz zwei Bereiche gab, die bis in die frühen 1960er Jahre in Banz existierten: Der Gasthof mit Hotelbetrieb, der preislich relativ günstig war, so dass Langzeitpensionäre dort wohnten. Zum andern das Kloster selber, das von der "Gemeinschaft von den Heiligen Engeln" betrieben wurde, die ihrerseits Zimmer an Leute aus der Umgebung vermieteten.
Heinz Pfuhlmann ist selbst überrascht, woher all die Menschen kamen, die bei Kriegsende und in der Nachkriegszeit in Banz lebten. Seit Juni 1942 befand sich zum Beispiel im Hauptgebäude das Reservelazarett, das im März 1945 mit 380 Patienten belegt war.
Zwar leerte sich dieses Lazarett nach Kriegsende sehr schnell, doch an seine Stelle trat ab Anfang November 1945 ein Flüchtlings altersheim der Caritas. Im Juli 1946 waren dort rund 160 alte Leute - größtenteils Vertriebene, Flüchtlinge und Evakuierte - untergebracht. Diese Menschen trugen noch 1948 blau-weiß gestreifte Anstaltskleidung, denn im Land herrschte Not, die Leute trugen auf, was vorhanden war - und in diesem Fall waren es eben die alten Kleiderbestände des Wehrmachtslazaretts.
Inzwischen läuft das Zeitzeugenprojekt einige Monate. Heinz Pfuhlmann hat etliche Menschen befragt und Details herausgefunden. "Es gibt eine Menge Leute, die sich erinnern oder die Bilddokumente haben", sagt er. Die interessantesten Fakten trugen Gunda Rohlfs (90) aus Unnersdorf, Wiga Häring aus Bamberg sowie der Historiker Bernd Wunder bei.

Wer erinnert sich an den Brand?

Wichtig ist ihm auch, noch einige Aussagen von Zeitzeugen zum Brand der Klosterkirche nach einem Blitzeinschlag 1944 zu bekommen. Einer der Türme brannte wie eine Fackel - sicher haben viele Menschen im Maintal diesen Feuerschein gesehen. Und beim Wiederaufbau in den unmittelbaren Nachkriegsjahren wirkten bestimmt etliche Einwohner der umliegenden Orte mit.
Für Heinz Pfuhlmann hat die Arbeit erst begonnen. Ähnlich wie der Schriftsteller Walter Kempowski, der für sein "Echolot" die Zeitzeugnisse aus dem Krieg sammelte, möchte er das Klosterdorf erforschen: Was für eine Lebensform ist das gewesen, in der weit über 100 Leute in einem abgeschlossenen Bereich zusammenlebten? Denn Banz sei damals ein richtiges Dorf gewesen - mit Kirche, Gastwirtschaft, Bäckerei, Gemischtwarenladen, Schreinerei und Landwirtschaft. Leute aus ganz Deutschland kamen in den Wirren der Nachkriegsjahre hierher. Und wie reagierten die Einheimischen auf dieses "bunte Volk"? Heinz Pfuhlmann ist gespannt, was er hierüber noch zu hören bekommt.