Eine Region steht unter Strom
Autor: Günter Flegel
Maroldsweisach, Donnerstag, 06. Sept. 2018
Im Raum Hofheim/Maroldsweisach/Coburg könnte eine neue große Hochspannungsleitung gebaut werden. Mit dem "Marsch gegen die P44" wollen die Kommunen am Sonntag den Druck auf die Politik erhöhen.
Günter Flegel "P44" klingt gefährlich. Es gibt eine ganze Menge Waffen, die mit einem ähnlichen Kürzel als Markennamen vertrieben werden. "P44" hat ebenfalls Sprengkraft, obwohl sich dahinter ein friedfertiges Projekt verbirgt: Es ist eine der vielen Stromleitungen, die in Deutschland neu gebaut werden sollen/müssen.
Die Brisanz der P44 liegt darin, dass sie von Schalkau in Thüringen nach Schweinfurt/Grafenrheinfeld führen soll. Auf dem kürzesten Weg, 75 Kilometer Luftlinie, würde die Trasse das Coburger und Hofheimer Land durchschneiden, eine Vorstellung, die in der Region immer mehr Menschen die Haare zu Berge stehen lässt, als hätten sie an eine Stromleitung gelangt.
Das wichtigste Kapital
"Diese Stromleitung würde das wichtigste, wenn nicht einzige Kapital zerstören, das wir in der Region haben, unsere intakte Naturlandschaft", sagt der Bürgermeister von Maroldsweisach, Günther Thein (SPD). Er ist nicht allein: So wie die große Koalition in Berlin an der Energiewende festhält, hat sich in der Region eine große Koalition gegen die Leitung gebildet. Bundestagsabgeordnete Anja Weißgerber, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Landtagsabgeordneter Steffen Vogel (alle CSU) üben mit Bürgermeistern und Landräten den Schulterschluss gegen die "Monstertrasse".
Es ist lange her, da gab es in der Region vergleichbaren Ärger um eine Stromtrasse, aber unter ganz anderen Vorzeichen: In den 1980er Jahren sorgte der Bau der Starkstromleitung durch das Maintal unter anderem in Sand für Aufregung; die 380 000-Volt-Trasse rückt vielfach nahe an die Dörfer heran. Gebraucht wurde die Riesen-Leitung, die sich bis heute neben der Maintalautobahn A 70 durchs Land zieht, um den Strom des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld ins Land zu transportieren.
Allerdings ist Grafenrheinfeld Geschichte, die Abschaltung des Atomkraftwerks ist ein Kapitel der Energiewende; und die braucht keine Strom-Einbahnstraßen mehr wie die Leitung im Maintal, sondern ein viel enger geknüpftes Leitungsnetz.
Wiedervereinigung beim Strom
Und eine weitere Wende hat bis heute Auswirkungen auf das Stromnetz: Die Wiedervereinigung ist bei den Leitungstrassen zwischen Ost und West noch nicht perfekt. Es fehlen Leitungen.Eine davon ist die P44.
Warum noch mehr Stromleitungen? Blickt man auf eine Karte des Stromversorgungsnetzes, dann erkennt man in der Grenzregion zwischen Bayern und Thüringen ein Manko: Zwar sind die Kraftwerke und Umspannwerke "hüben und drüben" durch eine Vielzahl teils auch neu gebauter Leitungen miteinander verbunden.