Eine Harley ganz aus Rattan
Autor: Klaus Gagel
Michelau, Montag, 20. Juli 2020
Ein Achtklässler, eine Seminararbeit und viele Stunden Auseinandersetzung mit Korbmaterialien ließen ein tolles Kunstwerk entstehen
Beim Namen Harley-Davidson bekommen Motorradfans glänzende Augen. Bikes und Marke genießen Kultstatus. Seit Freitag kann man im Deutschen Korbmuseum in Michelau ein ganz besonderes Modell der Edelmarke bewundern. Es ist zwar nicht straßentauglich, aber es wurde mit mindestens so viel Liebe und Hingabe hergestellt wie die Originale aus den Staaten.
Im Rahmen einer Jahresarbeit der achten Klasse baute Siemeon König als Schüler der Darmstädter Waldorfschule die Nachbildung einer Harley Davidson V-Rod. Schade nur, dass das Deutsche Korbmuseum aktuell wegen der Corona-Pandemie noch für Besucher geschlossen ist.
Die Geschichte begann 2004 im Deutschen Korbmuseum. Damals war der 13-jährige Simeon König mit seiner Mutter zu Besuch. Er war auf der Suche nach einem geeigneten Projekt für seine anstehende "Achtklassarbeit" an der Waldorfschule. Nach dem Gang durch die Ausstellung des Korbmuseums entdeckte er in der Auslage eine Zeitungsbeilage vom 24. Lichtenfelser Korbmarkt. Auf dem Titelbild waren zwei Motorräder zu sehen - hergestellt mit den Techniken der Korbflechter. Bei diesem Anblick war das Thema der Klassarbeit sofort gefunden. Simeon wollte ein Motorrad herstellen, das noch viel detailgetreuer sein sollte, als es die Motorräder auf dem Abbild waren.
Vom Original abgeschaut
Voller Tatendrang besuchte er mit seinem Vater den nächstgelegenen Harley-Davidson Showroom, um das Original genauestens unter die Lupe zu nehmen und zu vermessen. Er beschäftigte sich mit dem Biegen von dicken Rattan-Stangen, denn bisher hatte er nur mit dem dünneren Peddigrohr gearbeitet. Er fertigte hölzerne Biegeformen um den Rahmen des Motorrads in Form zu bringen und stellte in feinster Detailarbeit alle Einzelteile des Motorrads her. Bis auf die Lenkaufhängung und die verbindenden Schrauben kam nur Rattan in verschiedenen Stärken zum Einsatz. Viele Einzelteile mussten mehrfach hergestellt werden, damit alles wie gewünscht passte.
Im Frühsommer 2005 war es dann so weit: Nach etwa 760 Arbeitsstunden konnte das Motorrad der Öffentlichkeit präsentiert werden. Später fand es Platz in Schaufenstern, war Blickfang auf Motorradmessen und schmückte einige Zeitungsartikel. Jetzt 2020 ist die Nachbildung der Harley-Davidson zum Ursprung der Idee ins Deutsche Korbmuseum in Michelau zurückgekehrt.
Dankbar nahm Bürgermeister Dirk Rosenbauer die willkommene Spende entgegen. Es sind ja gerade die Sonderstücke und Einzelanfertigungen aus aller Welt, die den Besuch im Deutschen Korbmuseum in Michelau so lohnenswert machen. Gerade von einem 14-Jährigen erfordert es jede Menge Geduld und Geschick, sich mit dem widerstandsfähigen Material Rattan auseinanderzusetzen und es in die richtige Form zu bringen.
Ohne große Vorkenntnisse, was die Verarbeitung von Rattan oder Peddigrohr anbelangt, tastete sich Simeon König an die Proportionen der Harley heran. Manche Teile mussten zwei oder dreimal geflochten werden. Sein Zimmer verwandelte sich in einen Werkraum, in dem ein geordnetes Chaos herrschte.