Druckartikel: Eine Frau im Sog des Zeitgeists

Eine Frau im Sog des Zeitgeists


Autor: Matthias Einwag

Burgkunstadt, Dienstag, 26. Mai 2015

Diskussion  Wie sollen wir mit unserem geschichtlichen Erbe umgehen? Die Kontroverse um die Max-Brose-Straße in Coburg macht nachdenklich: Sollten die Burgkunstadter ihre Kuni-Tremel-Eggert-Straße umbenennen oder nicht?
Im Burgkunstadter Stadtkern zweigt die Kuni-Tremel-Eggert-Straße vom Marktplatz ab. Foto: Matthias Einwag


von unserem Redaktionsmitglied 
Matthias Einwag

Burgkunstadt — "Eine Zäsur setzt natürlich auch das Jahr 1945. Die genuin nationalsozialistischen Romane der Blunck, Ettighoffer, Goote, Grimm, Kolbenheyer, Schenzinger, Tremel-Eggert. Zöberlein und Vesper wurden sofort verboten und nach 1945 nur noch ganz vereinzelt aufgelegt", schrieb Tobias Schneider unter dem Titel "Bestseller im Dritten Reich" 2004 in den "Vierteljahresheften für Zeitgeschichte".
Nach Kuni Tremel-Eggert ist in ihrem Geburtsort Burgkunstadt eine Straße benannt. Mitten in der Stadt, am Marktplatz, biegt das Seitensträßlein ab. Unter der emaillierten Namenstafel prangt ein Täfelchen, auf dem Kuni Tremel-Eggert als Heimatdichterin und Schriftstellerin ausgewiesen wird.
Doch welcher Art ist ihre Literatur? Angesichts der jüngsten Debatte um die Rolle des Coburgers Max Brose im Dritten Reich und die daraus resultierende Forderung, die Max-Brose-Straße umzubenennen bestünde auch in Burgkunstadt Diskussionsbedarf. Sollte die Stadt nicht kritisch darüber nachdenken, die Kuni-Tremel-Eggert-Straße umzubenennen?

Literatur hat ihre eigene Zeit

Tobias Schneider schreibt: "Hat es in der damaligen deutschen Literatur tatsächlich diese scharfe Trennung gegeben? Propaganda-, Kriegs- und Blut-und-Boden-Literatur auf der einen Seite, auf der anderen die Literatur der Inneren Emigration und nichts dazwischen? Die Wirklichkeit sah indes anders aus. Es gab diese andere Literatur und sie war im Dritten Reich weitaus erfolgreicher als gemeinhin angenommen."
Vorsicht ist also angebracht, vorschnelles Urteilen empfiehlt sich nicht. Bezirksheimatpfleger Günter Dippold sagt, Kuni Tremel-Eggert sei eine Erfolgsautorin mit sechsstelligen Auflagen gewesen. Das Streben nach immer größerem Erfolg habe sie offenbar verführt, im Dritten Reich ihren Verlag zu wechseln: Sie ging vom Langen-Verlag - in dem auch der "Simplicissimus" erschien - zum Eher-Verlag, dem Parteiverlag der NSDAP. "Sie passte sich an und profitierte so vom NS-Regime."

Eigenmeinung oder Romanstoff?

Das sei aber nur die eine Seite, fährt Günter Dippold fort. "Ihre Romane in Bausch und Bogen als Naziliteratur abzutun, ist allzu einfach." Antisemitische Aussagen in ihrem Roman "Freund Sansibar" seien nicht die Meinung der Erzählerin, sondern Zitate einer handelnden Person, und zwar einer nicht durchweg positiv gezeichneten Gestalt, sagt Dippold. Man dürfe ferner nicht übersehen, dass die drei letzten Romane Kuni Tremel-Eggerts vom Eher-Verlag wegen ihrer christlichen Grundhaltung abgelehnt wurden.
"Aktionismus ist, wenn es um Straßennamen geht, ohnehin immer falsch am Platz", resümiert der Bezirksheimatpfleger. Wichtiger sei, dass man zuerst - und zwar ohne Schaum vor dem Mund, sondern wissenschaftlich abwägend - die Geschichte bearbeitet. Dann erst seien Beschlüsse angebracht.
"Es gibt übrigens Autoren, die landesweit geehrt werden, ohne dass ihre weit schlimmere, hetzerische Publizistik eine Rolle spielt", fügt Dippold an. Dass es ein nach Ludwig Thoma benanntes Gymnasium gebe, halte er angesichts dessen antidemokratischen und grob antisemitischen Artikeln im Miesbacher Anzeiger in den Jahren 1920/21 für höchst bedenklich.
In Burgkunstadt ist derzeit eine Umbenennung kein Thema. Bürgermeisterin Christine Frieß (CSU) sagte auf Anfrage unserer Zeitung: "Meines Wissens denken wir nicht darüber nach."