Druckartikel: Eine Frage der Bildung

Eine Frage der Bildung


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Donnerstag, 24. Sept. 2020

Markus Häggberg Bildung ist ein hohes Gut und hat so viele Facetten. Wer gebildet ist, der weiß nicht nur viel und zusammenhängend, sondern er weiß auch im angemessenen Moment das Angemessene zu sagen...


Markus Häggberg Bildung ist ein hohes Gut und hat so viele Facetten. Wer gebildet ist, der weiß nicht nur viel und zusammenhängend, sondern er weiß auch im angemessenen Moment das Angemessene zu sagen.

Manchmal scheint es einem schon fast, als ob es kaum noch wirklich gebildete Menschen gibt. Vor allem scheint es so, als habe sich die Bildung aus dem Alltagserleben verabschiedet.

Man begegnet einfach nicht mehr nur mal so nebenbei einem Menschen, der einem vom Zufall geschenkt wird, weil er beim Metzger neben einem steht und beim Deuten auf den vor ihm liegenden Presssack ganz beiläufig etwas Charmantes zu Seneca, Beethoven oder dem Leben von sich gibt.

In den Kino- und Fernsehfilmen sieht es ja immer so aus, als ob man nur lange genug im Café zu sitzen habe, bis ein wandelndes Lexikon mit professoralem Hintergrund freundlich anfragt, ob es sich noch auf den leeren Stuhl gesellen dürfe. Meist spielen solche Szenen dann aber in Paris, in London oder in New York.

Aber als ich heute morgen mein Fenster öffnete, da war draußen Lichtenfels. Eine helle Stimme drang an mein Ohr und was sie sagte, machte mich sofort hellhörig. Sie sagte: "Mutti, ich war beim Frauenarzt." Ich nippte am Kaffee und begann inständig zu hoffen, dass mit der Frau alles in Ordnung ist. Wie ich mitbekommen durfte, führte die junge Frau ein Telefonat mit ihrer Mutter und Mutti hörte schon etwas schlecht. Dementsprechend langsam, deutlich und laut erklärte die junge Frau ihr gesamtes Untenrum und was da so in Schieflage geraten ist. Offenbar fragte Mutter bisweilen nach und wollte Details wissen. Dabei leuchtete mir völlig ein, dass man nicht verschämt zu sein braucht, dass man über alles reden kann und alles im Grunde ja nur natürlich ist. So kam ich nicht umhin zu erfahren, dass es bei der jungen Frau etwas Organisches war und welche Unstimmigkeiten sich genau bei ihrem Interieur ergeben haben.

Abgesehen davon hatte die Frau eine sehr schöne Art zu reden, denn sie kannte nicht nur die Fachbegriffe, sie war auch in der Lage, im Bedarfsfall auf die weniger medizinischen Begriffe zurückzugreifen. Man kann durchaus sagen, dass sie wirklich Bildung besaß.