Druckartikel: Eine Busbekanntschaft

Eine Busbekanntschaft


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Freitag, 18. Oktober 2019

Markus Häggberg Neulich war es ganz alltäglich. Wenn man von Olaf mal absieht. Wir saßen im Kleinbus auf dem Weg zum Club-Heimspiel und hatten jede Menge Vorfreude. Und dann war da eben Olaf. Olaf ist...


Markus Häggberg Neulich war es ganz alltäglich. Wenn man von Olaf mal absieht. Wir saßen im Kleinbus auf dem Weg zum Club-Heimspiel und hatten jede Menge Vorfreude. Und dann war da eben Olaf.

Olaf ist ein netter Kerl, hat für jedes Trauma Verständnis und kann dabei unheimlich militant werden. So ein echter Klugscheißer mit Korrektheit im Herzen. Wie er in diese Clique und in diesen Bus geraten konnte, war im Nachhinein irgendwie schwer zu rekonstruieren, jedenfalls war er da. So auf Höhe Ebensfeld sollte sich zeigen, dass Olafs Humor pädagogische Anklänge hatte. Jemand von uns bat, das Radio lauter zu stellen, weil er die aus ihm kommende "schwarze Musik" toll fand. Ein bisschen ungefragt war sich Olaf nicht ganz sicher, ob man noch Schwarzer sagt. Jedenfalls suchte er uns bis kurz vor Zapfendorf zu sensibilisieren.

So auf Höhe Breitengüßbach kam dann das Unvermeidliche und Olaf schwadronierte davon, dass ja schon George Orwell in seinem Buch 1984 eindeutig nachgewiesen (er sagte wirklich "eindeutig") hätte, dass Sprache und Denken zusammenhängen, dass die Sprache ja wohl das Denken formt, dass man ungeheuer sensibel sein müsse und bla, bla, bla. Wenn ich es noch recht in Erinnerung behalten habe, war es bei Orwells 1984 aber auch so, dass Menschen, eben weil ihnen ein klarer Begriff von etwas genommen war, stussige und nichtssagende Lieder sangen. Das ist nämlich die Kehrseite der Sprachaufweichung. Bis Höhe Hirschaid sträubte sich Olaf, eine Kehrseite in Betracht zu ziehen, dann kam er auf Fußball zu sprechen, was irgendwie fadenscheinig war.

Hansi ließ sich darüber aus, dass seine Freundin einen hartnäckigen Verehrer hat und er ihn für einen Stalker hält. Aus Spaß sagte jemand im Bus, dass man jetzt nicht mehr Stalker sagt, sondern "Abgrenzungsbehinderter".

Olaf fand das grundsätzlich gut, gab aber zu bedenken, dass ihn der Wortteil "-behindert" stört. Weil Menschen nicht behindert, sondern besonders sind. Eine Erkenntnis, die ihm so bei Forchheim kam.

Jemand warf das Wort Abgrenzungsnegierer in die Runde und Olaf meinte, dass das darum sehr unglücklich klänge, weil das Negieren lautmalerisch zu nah am Neger sei. Somit stand für unseren flunkernden Martin fest, dass man besser von einem Abgrenzungsneutralen spricht. Und Neutralität ist ja immer gut, das sähe man ja an der Schweiz.

Eine Bemerkung, die noch bis weit hinter Erlangen für Lachen sorgte, zu der Olaf aber nicht so recht mitlachen wollte. Am Max-Morlock-Stadion angekommen lief alles recht planmäßig, wenn man von dem müden Kick des 1. FC Nürnberg mal absieht. Aber er lenkte doch von Semantik und euphemistischen Tretmühlen wohltuend ab. Dann machten wir uns auf den Rückweg von Nürnberg und hatten jede Menge Spaß in unserem Bus. So auf Höhe Bad Staffelstein haben wir bemerkt, dass wir Olaf irgendwie am Stadion vergessen hatten.