Bahn-Fachmann Burkhard Eßig könnte sich gut vorstellen, dass die vor genau 100 Jahren eröffnete Bahn durch das Steinachtal in der jetzigen Zeit eine gute Alternative für Pendler und Güterverkehr im östlichen Landkreis wäre.
Die Blütezeit der Steinachtalbahn von Ebersdorf bei Coburg bis nach Coburg währte nur kurz: Am 1. November 1920 eröffnet, entwickelte sich die Bahnlinie schnell zu einer wichtigen Nahverkehrsverbindung, auf der viele Menschen aus dem östlichen Landkreis zum mit größten Arbeitgeber der Region, dem Kabel- und Leitungswerk von Siemens in Neustadt, gelangten. Doch ein viertel Jahrhundert später war Schluss: Weil ein kleiner Teil der Strecke über thüringisches Gebiet verlief, war die Karussellbahn unterbrochen und der Niedergang eingeläutet.
Einige Zeit lang lief der Verkehr noch, doch spätestens als 1975 der Reisezugverkehr zwischen Ebersdorf und Fürth am Berg eingestellt wurde, war das Ende der Strecke eingeläutet. 1986 wurde der Güterzugverkehr zwischen Wörlsdorf, Hassenberg und Fürth beendet, drei Jahre später das Stück zwischen Hof-Steinach und Hassenberg geschlossen. Ab dem 31. Mai 1992 fuhren dann überhaupt keine Züge mehr.
Was wäre wenn?
Im Zuge der Verkehrswende wurde in den vergangenen Jahren immer wieder über die Reaktivierung kleinerer Nebenstrecken diskutiert - im Coburger Land freilich mehr über die Werra-Bahn als Anschluss nach Südthüringen als über die Steinachtalbahn. Und dennoch: Was wäre wenn? Das Tageblatt hat sich mit jemanden unterhalten, der sich mit Bahninfrastruktur auskennt: Burkhard Eßig, Sprecher der Regionalgruppe Coburg des Fahrgastverbandes "Pro Bahn".
Was glauben Sie: Wäre die Steinachtalbahn ohne Zeit der deutsch-deutschen Teilung heute noch in Betrieb?
Burkhard Eßig: Aufgrund der Verkehrspolitik in den 60er und 70er Jahren, wo es zu einem Abbau gerade von Nebenbahnen kam, wäre auch die Steinachtalbahn auf den Prüfstand gekommen. Da sich jedoch mit Ebersdorf, Sonnefeld und Weidhausen Gemeinden mit starker Industriedichte an der Steinachtalbahn befinden, hätte gerade der Güterverkehr eine bedeutende Rolle spielen können. Aber auch der Personenverkehr hätte sich gegenüber dem Pkw behaupten können, da man eben nicht nur Richtung Coburg, sondern auch nach Neustadt und Sonneberg hätte fahren können und dies auch bei attraktiven Reisezeiten. Also: Ich denke, die Steinachtalbahn wäre heute noch in Betrieb!
Die Verkehrswende ist ein großes Thema für die Politik auf allen Ebenen. Wird es vielleicht sogar wieder dazu kommen, dass Lokalstrecken in der Art der ehemaligen Steinachtalbahn ein Comeback erleben können?
Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Nebenbahnen heutzutage bereits an vielen Stellen überbaut sind - Beispiele sind die Steinachtalbahn und die ehemalige Strecke durch den Itzgrund bis nach Rossach - denke ich nicht, dass solche Strecken nochmals aufgebaut werden. Es kommen eigentlich nur Strecken in Frage, bei denen keine größeren Eingriffe in die Bausubstanz der Eisenbahnstrecke stattgefunden haben, was bei uns im Coburger Land leider nicht der Fall ist.
Im Steinachtal lief der Güterverkehr länger als der Personenverkehr. Könnte Güterverkehr heutzutage auf kleinen Strecken Sinn machen?
Ja, der Güterverkehr mit Einzelwagenabfertigung wäre auch für die kleinen Nebenbahnen eine sinnvolle Alternative zum Lkw Gerade die Privatbahnen sind hier gegenüber der DB Cargo aufgrund ihrer höheren Flexibilität in der Lage, interessante Angebote zu unterbreiten. Allerdings muss hierfür auch die Infrastruktur der Eisenbahnstrecken angepasst werden, es müssen zum Beispiel Anschlussgleise und Ausweichgleise dafür gebaut werden.
Mal völlig abgesehen von Geld, Genehmigungsverfahren und Grundstücksverhältnissen: Wenn "Pro Bahn" mit seinem Fachwissen eine Lokalbahn im Coburger Land bauen dürfte - wo würden Sie diese entlang führen lassen?
Wie ich bereits bei der ersten Frage erwähnt habe, wäre eine Eisenbahnstrecke zwischen Ebersdorf bei Coburg, Sonnefeld und Weidhausen eine Möglichkeit, die betroffenen Ortschaften auch über die Bahn zu erschließen und dann in Ebersdorf an die Hauptbahn nach Coburg und weiter bis nach Lichtenfels anzubinden. Dies wäre eine gute Möglichkeit, dass Pendler vom Pkw auf die Bahn umsteigen. Dafür wäre allerdings ein attraktiver Fahrplan mit guten Fahrzeiten notwendig.
Die Fragen stellteBerthold Köhler