Druckartikel: Ein Salto Mortale vom 15. Jahrhundert ins Heute

Ein Salto Mortale vom 15. Jahrhundert ins Heute


Autor: Christine Luche

Coburg, Montag, 01. Dezember 2014

von unserer Mitarbeiterin christine Luche Coburg — Mit einem so packenden wie außergewöhnlichen Musikerlebnis wurde eine leider nur sehr kleine Zuhörerschar belohnt, die am Voraben...


von unserer Mitarbeiterin christine Luche

Coburg — Mit einem so packenden wie außergewöhnlichen Musikerlebnis wurde eine leider nur sehr kleine Zuhörerschar belohnt, die am Vorabend des ersten Advents einer Einladung in den Andromedasaal der Ehrenburg gefolgt war. Zwei erstklassige Kammerensembles des Arbeitskreises "Metropolmusik Nürnberg" (Kulturpreisträger 2013) präsentierten in Coburg ihr "Lochamer Liederbuch unearthed".
Die vorwiegend einstimmigen Sätze dieser ersten vollständig erhaltenen Liedersammlung aus dem 15. Jahrhundert erfuhren auf kreativste Weise und auf hohem musikalischem Niveau eine interessante Gegenüberstellung historisch authentischer Interpretationen und moderner frischer Bearbeitungen.
Zunächst faszinierte das "Alte Ensemble" mit Dorothea Wagner (Sopran), Christine Riessner (Laute), Justus Wilberg (Flöten), Pia Prätorius (Orgel) und Dietrich Haboeck (Gambe). Mit feinem Gespür und musikantischer Wärme wussten die Musiker ihre eigenen abwechslungsreichen Bearbeitungen und Instrumentalbegleitungen um die teils bekannten Melodien - wie "Wach auf", "Möcht' ich dein Begehr", "All mein Gedenken", "Der Winter will weichen" oder "Fahr hin" - zu weben. Die bot Dorothea Wagner mit ihrer geschmeidig fließenden, makellosen Stimme akzent und abwechslungsreich.
So faszinierten auch immer wieder die solistischen Instrumentalpartien von Laute, Gambe, diversen Flöten bis hin zum Krummhorn und dem schnarrenden, dudelsackähnlich klingenden Regal, eine tragbare, aus Zungenpfeifen bestehende Kuriosität, die man vielleicht als "Keyboard" des 15. Jahrhunderts bezeichnen könnte und deren zwei Bälge stets von einer zweiten Person bedient werden müssen. Das Original dieser 1988 entstanden Kopie kann man im Germanischen Nationalmuseum bewundern.

Alter Liedsatz jetzt ganz modern

Hörte man im ersten Teil ein festes Ensemble, das sich ständig der historischen Interpretation widmet, so gehörte der zweite Teil des Coburger Konzertes den zeitgenössischen Bearbeitungen. Man könnte von einem stilistischen Salto Mortale sprechen.
Yara Linss (Gesang), Rebecca Trescher (Bassklarinette), Isabella Effenberg (Vibraphon), Martin Kasper am Flügel sowie Peter Christof (Kontrabass) bildeten das "Neue Ensemble", das auf frappierende Weise zeigte, wie aktuell und modern ein alter Liedsatz klingen kann, steckt man ihn in ein mit interessanten Rhythmen klug arrangiertes Klanggewand.
Neben sich wiederholenden Sätzen waren dies "Ich bin bei dir", "Verlangen tut mich kränken" oder "Der Sommer" in immer wieder verblüffenden Bearbeitungen. Ihre swingende, facettenreiche Stimmführung mit starker Aussage verband Yara Linss mit Charme und Raffinesse.Den brillanten Ausklang bildete eine Koproduktion der beiden Ensembles, die hoffentlich bald wieder in Coburg zu erleben sind.