Ein Redakteur in Mülleinheiten

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Sebastian Schanz Mit spirituellen Eingebungen ist es wie mit Steuernachzahlungen: Sie kommen immer dann, wenn man am wenigsten damit gerechnet hätte. Mal ehrlich: Wer hätte gedacht, dass einer der Weg...

Sebastian Schanz Mit spirituellen Eingebungen ist es wie mit Steuernachzahlungen: Sie kommen immer dann, wenn man am wenigsten damit gerechnet hätte.

Mal ehrlich: Wer hätte gedacht, dass einer der Wege des Buddhismus über das Bamberger Müllheizkraftwerk führen würde? Doch bei dem modernen Monstrum in der Rheinstraße 6 handelt es sich um einen wirklich unwirklichen Ort, bei dem gewohnte Denkmuster gesprengt werden. Erhebend, nicht nur für die Abfallablagerungen, die hier zu Bergen aufgetürmt werden. Eine metallene Kralle greift sich die anonymen Hinterlassenschaften menschlicher Zivilisation und wirft sie in eine Grube, so riesig und dunkel, dass ihr Ende im feinen Staub der Jahrzehnte gar nicht zu erkennen ist - als würde Totengott Hades den weltlichen Kehricht in sein schauriges Reich hinabzerren, aus dem es keine Rückkehr gibt. Im Angesicht dieses Nichts fragt sich der staunende Betrachter, wie viele unliebsame Erinnerungen hier wohl mit dem Sperrmüll pulverisiert und aus dem Gedächtnis gelöscht werden. Und er fühlt sich plötzlich ganz klein und fast schon buddhistisch unbedeutend.

Wie gewichtig ist das eigene Ego? Diese narzisstische Frage des 21. Jahrhunderts wird spätestens am Ausgang beantwortet. Denn wer vor der großen Waage im Boden aus seinem Auto steigt, dessen Eigengewicht wird erst in Müll aufgewogen und dann grob geschätzt herausgerechnet. Frage: "Auf wie viele Mülleinheiten komme ich denn als durchschnittlicher Redakteur?" Die delphische Antwort des Fachmanns: "Das wollen Sie gar nicht wissen. Sie wären enttäuscht!"