Druckartikel: Ein Liebhaber Frankens

Ein Liebhaber Frankens


Autor: Reinhard Löwisch

Forchheim, Dienstag, 17. Mai 2016

Im Jahr 1859 verliebte sich der aus dem Badischen stammende Schriftsteller Joseph Victor von Scheffel in die Fränkische Schweiz. Im Jahr seines 190. Geburtstags zeugen Denkmäler und Tafeln von seinem Aufenthalt.
Das Scheffel-Denkmal in Gößweinstein Foto: Reinhard Löwisch


Vor 190 Jahren wurde im Badischen ein Mann geboren, dem Franken und auch die Fränkische Schweiz heute noch Dank und Anerkennung schulden. Joseph Victor von Scheffel aus Karlsruhe war begeistert von diesem Landstrich und seinen Bewohnern, so dass er nicht nur gern wiederkam.
Er sorgte mit seinen Beschreibungen für einen hohen Bekanntheitsgrad Frankens und der Fränkischen Schweiz. Er tat dies mit dem "Frankenlied" und der "Domchorknaben- Sängerfahrt in die Fränkische Schweiz".
Aus Anlass des runden Geburtstages widmet ihm der Fränkische-Schweiz-Verein einige Aktivitäten in diesem Jahr, darunter eine mehrtägige Wanderung im Sommer mit dem Hauptvorsitzenden und einen Erinnerungsabend im Scheffelgasthof in Gößweinstein.


Der 33. Bundesstaat

Das Jahr 1859 war in der historischen Rückschau kein besonders spektakuläres Jahr: Österreich trat der Dresdner Konvention bei und ermöglichte dadurch erstmals pass- und visafreie Einreise für alle Deutschen.
Oregon wurde als 33. Bundesstaat in die Vereinigten Staaten aufgenommen, der Bau des Suezkanals beginnt und Charles Darwin veröffentlichte erstmals seine Evolutionstheorie.
Und ein gewisser Joseph Victor von Scheffel mietete sich für drei Monate auf Schloss Banz ein, um sich "von der Natur inspirieren zu lassen", wie er seiner Mutter in einem Brief freudig berichtet.
Der eigentliche Grund war die Arbeit an einem "Wartbug-Roman", den er im Stile seines "Ekkehard"-Romans für den sächsischen Großherzog Carl Alexander schreiben sollte. Der zu dem Zeitpunkt 33-jährige Justitiar und Literat genoss die ländliche Abgeschiedenheit: "Dass ich von Politik nichts höre, ist kein Verlust", schrieb er im Brief an seine Mutter weiter.
Die Hitze des Sommers zwang ihn, anstatt eines geplanten Ausfluges zur Wartburg zuerst eine Wanderung nach Bamberg und in die Fränkische Schweiz zu unternehmen. In Bamberg studierte er "fahrende Schüler", die Scholaren der dortigen Jesuitenhochschule.
Seine Wanderung unter der Überschrift "Exodus cantorum oder der Bambergische Domchorknaben Sängerfahrt" begann er Mitte August von Forchheim kommend, wo er den Zug verlassen hat.
Über Streitberg und Muggendorf kam er später in "die wilde Landschaft". Zerklüftetes Kalkgebirge mit abenteuerlich ausgewitterten Dolomitfelsnadeln und Felsspitzen, enge Felsentäler, dazu mittelalterliche Erinnerungen in Form alter Ritterburgen. Die vielen abenteuerlichen Tropfsteinhöhlen mit den merkwürdigen Anschwemmungen der Gebeine vorsintflutlicher Tiere, die Friedrich Esper 100 Jahre vorher entdeckt hatte.
Die Burgen Streitberg und Neideck, der Adlerstein mit dem Rundblick auf das weite Hochland, das Tal von Rabeneck und Rabenstein.


Gastfreundschaft des Freiherrn

Pottenstein besuchte er, Tüchersfeld, Gößweinstein mit dem hohen Schloss und der herrlichen Rundsicht auf dem Söller, dann Burg Gailenreuth und die Gailenreuther Höhle, den einsam düsteren Wichsenstein, von dessen ehemaligem Schloss "nur der eiserne Torschlüssel noch übrig ist".
Auf Schloss Unteraufseß genoss Scheffel die Gastfreundschaft des Freiherrn Hans von Aufsess. Hier war die letzte Station des Dichters in der Fränkischen Schweiz, von dort kehrte er über Kloster Langheim und Vierzehnheiligen in sein Standquartier nach Schloss Banz zurück. Scheffel kam noch einige Male in die Fränkische Schweiz und lobte sie über alle Maßen.
Berühmt geworden ist seine Einschätzung, die er seinem Malerfreund und Illustrator Anton von Werner im Juli 1883 schrieb: "Willst du einmal andere Menschen, andere Landschaft, kühle Bergluft, groteske Felsen um dich haben, so empfehle ich dir Streitberg in der Fränkischen Schweiz, wo ich im Kurhaus bei Dr. Weber wohnte. Kühle Wälder, zackiges Kalkgebirg, abenteuerliche Höhlen, die Grabstätten vorsintflutlicher Tiere, steile Burgen, kleine, aber behagliche Verhältnisse. Alles nah beisammen, mit Wagen leicht zu erreichen. Gößweinstein, Behringersmühle, Rabenstein, Muggendorf und Streitberg selbst mit der gegenüberliegenden Neideck sind für herbstliche Spaziergänge wohltuende Punkte."


Brief an einen Freund

Das alte Kurhaus, das Scheffel empfahl und welches Streitberg im 19. Jahrhundert große Berühmtheit bescherte, gibt es noch immer: als Hotel und Restaurant.
Wenige Wochen nach diesem Brief an seinen Freund weilte Scheffel erneut in der Fränkischen Schweiz. Im Gasthaus Distler in Gößweinstein nahm er Quartier und dort im Gästebuch findet sich sein ebenfalls berühmt gewordener Eintrag: "Victor v. Scheffel, Belletriste, Carlsruhe, Gößweinstein, 4. Septbr. 1883". Drei Jahre nach diesem Besuch in der Fränkischen Schweiz am 9. April 1886 starb Joseph Victor von Scheffel in Karlsruhe, seinem Geburtsort. Dem Erfinder des "Frankenliedes" wurde 1929 in Gößweinstein ein Denkmal gewidmet. Aus dem Distler'schen Gasthaus wurde das "Scheffelgasthaus", weil im gleichen Jahr, 1929, von den Wirtsleuten Heßler eine Scheffelstube im Gasthaus eingerichtet worden ist.
Dazu stiftete unter anderem August Sieghardt, der Heimatschriftsteller der Fränkischen Schweiz, einige von ihm gesammelte Erinnerungsstücke, Porträts, Bücher und Bilder.