Ein großes Übel namens Demenz
Autor: Carmen Schwind
Heiligenstadt, Mittwoch, 06. April 2016
Die Heiligenstadter Senioreninitiative will an Demenz erkrankten Menschen und deren Angehörigen helfen, den Alltag möglichst gut zu bewältigen. Medikamente versprechen bisher noch mehr, als sie halten.
Heiligenstadt — "Ich weiß nicht, wie die Leute reagieren, wenn es dann in der Welt ist und alle wissen: Der Assauer ist dement. Der Alte hat Alzheimer. Werden sich die Leute drüber lustig machen oder Verständnis haben?" Dies ist ein Auszug aus dem Buch "Wie ausgewechselt", das der ehemalige Fußballmanager Rudi Assauer zu Beginn seiner Alzheimer-Erkrankung schrieb.
Viele Menschen waren entsetzt, als Assauer im Alter von 68 Jahren an Demenz erkrankte.
Der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten, Ronald Reagan, erkrankte ebenfalls an Demenz. Er war 83 Jahre alt, als er einen öffentlichen Brief mit den Wort beendete: "Ich beginne nun die Reise, die mich zum Sonnenuntergang meines Lebens führt." Weitere bekannte Alzheimer-Patienten waren Margret Thatcher, Rita Hayworth, Herbert Wehner und Helmut Schön. Oder auch Carolus Horn.
Letzterer ist ein bekannter Werbegrafiker, der einige der bekanntesten Werbekampagnen des deutschen Wirtschaftswunders gestaltete. Die Zeile "Alle reden vom Wetter. Wir nicht." entwarf er beispielsweise für die Deutsche Bahn.
Räumliche Bezüge verschwinden
Seine Frau hat später Bilder zur Verfügung gestellt, anhand derer man den geistigen Abbau von Carolus Horn bildlich nachvollziehen kann. Zu Beginn seiner Krankheit veränderten sich seine räumlichen Bezüge und er verlor die Dreidimensionalität. Später wurden die Bilder immer kindlicher und Wolken sahen aus wie Spiegeleier. Deshalb erhielt die Ausstellung mit diesen Bildern auch den Namen "Wie aus Wolken Spiegeleier wurden". 1992 starb Carolus Horn im Alter von nur 71 Jahren. Für den Allgemeinmediziner und Seniorenbeauftragten aus Heiligenstadt, Peter Landendörfer, gibt es zwei Plagen unserer Zeit: die eine ist Krebs, die andere Demenz. Deshalb gründete er gemeinsam mit der Marktgemeinde Heiligenstadt eine Senioreninitiative, die Betroffenen und Angehörigen im täglichen Leben helfen soll.
Zweifelhafte Wirkung
Zum Start der Initiative luden Landendörfer und Bürgermeister Helmut Krämer (CSU/Einigkeit) Professor Elmar Gräßel vom Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung an der Psychiatrischen Universitätsklinik Erlangen für einen Vortrag ein. "Eine Verschlechterung der gefühlsmäßigen Reaktionen, des Sozialverhaltens oder des Antriebs begleitet meist die kognitiven Beeinträchtigungen", erklärte Elmar Gräßel. Nicht jede Störung des Gedächtnisses sei allerdings ein Zeichen von Demenz. Bei einer diesbezüglichen Unsicherheit solle man den Hausarzt aufsuchen. Die eigentliche Diagnose könne jedoch erst nach einer spezialisierten Gedächtnisambulanz getroffen werden. Es gebe wohl Medikamente, aber deren Wirkung sei eher zweifelhaft. Gute Ergebnisse hat die einjährige Studie über "MAKS" gezeigt. Dabei handelt es sich um eine motorische, alltagspraktische, kognitive und spirituelle Aktivierungstherapie. Regelmäßige Aktivierungsübungen und die Möglichkeit, sich als wertgeschätztes Mitglied einer Gruppe zu empfinden, sorgen laut Gräßel dafür, dass sich der Zustand der Teilnehmer kaum verschlechterte.
Dies sei ein positives Ergebnis bei einer Erkrankung, die nicht heilbar ist. Auf die Frage einer Zuhörerin, ob man selbst etwas beeinflussen kann, um nicht an Demenz zu erkranken, antwortete Elmar Gräßel , dass die richtige Ernährung wichtig sei: "Eine Studie aus Frankreich zeigt, dass der tägliche Verzehr von Obst und Gemüse die Neuerkrankungsrate senkt."
Als ebenso positiv habe sich der wöchentliche Verzehr von Meeresfisch erwiesen. Die Studie zeige auch, dass exzessives Trinken von Alkohol das Risiko für Demenz um das Dreifache erhöht. Weitere beeinflussbare Risikofaktoren seien Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, erhöhte Blutzuckerwerte und Rauchen. "Es ist unverantwortlich, wenn man im Alter seine Blutdruckwerte nicht kennt", warf Peter Landendörfer ein.