Ein Franke zieht nach Russland
Autor: Corinna Tübel
Marktzeuln, Donnerstag, 02. Januar 2020
Von 0 auf 6000 Hektar: Der Agrarmanager Christian Kowalczyk aus Marktzeuln ist nach Russland gezogen und hat dort mittlerweile seinen eigenen modernen Agrarbetrieb. Er schätzt dort vor allem das Ansehen der Landwirtschaft.
Seit 2015 bewirtschaftet der 44-jährige Christian Kowalczyk aus Marktzeuln inzwischen 6000 Hektar Ackerland rund 500 Kilometer südwestlich von Moskau, in Apazha. Das wären knapp 8000 Fußballfelder aneinandergereiht. Zu Beginn seiner Arbeit war dies wohl eher ein Traum als ein Ziel.
Als der gebürtige Marktzeulner im Jahr 2004 mit dem Agrarstudium in Triesdorf fertig war, arbeitete er zunächst bei verschiedenen Unternehmen in Deutschland, ehe er den Landwirtschaftsbetrieb eines ehemaligen Kollegen in Russland besuchen durfte: "Ich fuhr eine Woche zu ihm und habe mich von dem großen weiten Land mit seiner tollen Landschaft, den riesengroßen noch ungenutzten Potenzialen der russischen Landwirtschaft und den russischen Frauen begeistern lassen." Das Land ließ ihn nicht mehr los.
Er suchte und fand eine Stelle als Bereichsleiter in der Pflanzenproduktion der Firma Ekoniva in Russland. Seit 2006 lernte Kowalczyk seitdem Land und Leute kennen und sammelte wertvolle berufliche Erfahrung.
Als Deutscher sei er immer sehr gut akzeptiert worden, erzählt er. Er begegne den Menschen zwar streng, aber immer auf Augenhöhe.
Ein wichtiger Faktor sei die Sprache: "Ich habe mir von Anfang an die Sprache selbst beigebracht, hatte nie einen Dolmetscher. In meiner ersten Arbeitsstelle konnte niemand Deutsch oder Englisch. Aber mittlerweile kann ich mich vom Mitarbeiter bis hin zum Politiker sehr gut alleine verständigen, Verträge abschließen et cetera. Das ist einfach ein Muss."
Heute hat er längst keine Zeit mehr, über die Sprache nachzudenken. Er plant und organisiert, er kontrolliert und packt auch mal mit an, wenn einer der riesigen Mähdrescher-Giganten streikt. Er mahnt zur Eile und Sorgfalt, treibt seine Mitarbeiter an. Er hatte und hat Power: 2015 kaufte er das Areal einer ehemaligen Kolchose und führt seitdem seinen eigenen Agrarbetrieb mit 63 Angestellten und 500 Milchkühen mit seiner Frau und einem gleichberechtigten deutschen Partner. Etwas mehr als eine halbe Million Euro Eigenkapital sei seither in den Betrieb in dem 170-Seelen-Dorf geflossen.
Erleichtert haben das die niedrigen Ackerpreise: Sie betragen in der Gegend weit weniger als ein Zehntel der in Deutschland üblichen Bodenpreise. Auch andere Faktoren lassen sich schwer mit denen seiner Heimat vergleichen: In Russland verdient eine Melkerin rund 550 Euro.