Druckartikel: Ein bisschen zu sich selbst finden

Ein bisschen zu sich selbst finden


Autor: Anika Ferko

Bamberg, Freitag, 27. März 2020

In einem Facebook-Video verbreitet der Rhetoriker Michael Ehlers die Nachricht über seine Corona-Infektion. In einem Interview mit unserer Zeitung beantwortet er Fragen zu seiner aktuellen Situation.
Michael Ehlers


Positiv getestet. Diese Nachricht teilte der Rhetoriker Michael Ehlers am vergangenen Mittwoch mit der Öffentlichkeit. In einem Facebook-Video spricht er über seine Krankheit. Derzeit befinde er sich in seinem Zuhause in Hallstadt und stehe unter Quarantäne. Seine Frau ist laut Ehlers inzwischen ebenfalls positiv getestet worden, seine 13-jährige Tochter sei noch nicht erkrankt.

Herr Ehlers, wie kam es zu der Ansteckung?

Michael Ehlers: Ich bin Buchautor, Vortragsredner und Seminarleiter für Unternehmer und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Im Rahmen meines Rhetorik-Trainings mit einer Gruppe in Barcelona fand das Seminarende traditionell in der berühmten Sagrada Familia, der Kathedrale des Architekten Gaudí, statt. Am Sonntagmorgen waren die Schlangen vor der Kirche und der Sicherheitskontrolle sehr groß. Internationale Gäste. Einige trugen Masken.

Zu diesem Zeitpunkt hatte komplett Spanien noch keine 200 gemeldeten Fälle. Ich persönlich hielt es noch für eine Grippe und war deshalb, wie auch meine Teilnehmer, ziemlich sorglos. Von den zwölf Seminarreisenden haben sich, inklusive mir, drei angesteckt, wie ich heute weiß. Die ersten Symptome sind drei Tage nach dem Kirchenbesuch bei mir spürbar geworden.

Wie hat sich die Krankheit geäußert?

Es fing mit Husten und einem ständigen Kratzen im Rachen an. Als ich nach meiner Barcelona-Reise und einem Seminar in Köln nach Hause gekommen bin, hat es mich sofort umgehauen. Ich lag fünf Tage mit starken Kopf- und Gliederschmerzen flach. Entgegen meiner Natur war ich zu gar nichts fähig und ständig müde. Ich hatte nicht einmal Lust mir Filme anzusehen oder in den sozialen Netzwerken zu surfen. Am vierten Tag kam Kurzatmigkeit hinzu und dann habe ich auch sofort telefonisch Kontakt mit einem mir bekannten Arzt aufgenommen. Er sagte mir, dass ich sofort einen Krankenwagen rufen sollte, sobald es zu echter Atemnot komme. Zum Glück wurde es dann aber Tag für Tag besser. Wenn auch sehr, sehr langsam geht es gesundheitlich aufwärts.

Wie sah die ärztliche Unterstützung für Sie und Ihre Familie aus?

Nachdem ich nicht mehr richtig handlungsfähig war, hat meine Frau sich um einen Test bemüht und viel telefoniert. Eines Morgens nahm sie mich an die Hand und fuhr mit mir zu einer Ärztin. Ich musste vor der Tür warten, bis die Ärztin und eine Arzthelferin in Schutzkleidung öffneten und mir mit Wattestäbchen im Rachen und in der Nase Abstriche machten. Zwei Tage später kam das positive Ergebnis und sofort kümmerte sich das Landratsamt um uns und erklärte uns die Quarantäne-Maßnahmen. Sie waren stets geduldig und auch klar in der Kommunikation. Das war sehr hilfreich für uns. Meine Frau und meine Tochter wurden auch umgehend nach Scheßlitz in das neue Testcenter gebeten und getestet.

Machen Sie sich aktuell große Sorgen?

Ich sorge mich besonders um meine Mutter. Sie ist über 70 Jahre alt, hatte vor einigen Jahren einen leichten Herzinfarkt und leidet unter einer chronischen Atemwegserkrankung. Das macht sie gleich dreimal zur Risikoperson. Ich habe ihr in langen Gesprächen die Notwendigkeit der selbstauferlegten Quarantäne zu erklären versucht. Anfangs war es schwierig. Inzwischen bleibt sie weitestgehend zu Hause mit ihrem Lebensgefährten. Darüber bin ich sehr froh.

Als selbstständiger Unternehmer mache ich mir ebenso Sorgen. Ich lebe hauptsächlich von meinen Seminaren und meinen Vorträgen. Alle Veranstaltungen im März und April sind abgesagt oder storniert. Es gibt kaum Neubuchungen, was ich natürlich verstehen kann. Andererseits sind meine Kunden sehr herzlich und verstehen größtenteils, in welche Schwierigkeiten mich die Situation als Unternehmer bringt. Die ausgefallenen Seminare werden dadurch verschoben. Weil ich die neuen Termine der verschobenen Seminare nicht zweimal verkaufen kann, werde ich viel Umsatz verlieren. Dennoch steht die Gesundheit der Menschen natürlich über allem und ich muss die Situation so akzeptieren, wie sie ist.

Wie stehen Sie die Tage in der Quarantäne mit ihrer Familie durch?

Sehr, sehr gut. Wir geben alle aufeinander acht und leben unsere Familienrituale. Zur Tochter halten wir, so gut es geht, etwas Abstand, da sie noch negativ getestet ist. Ansonsten essen wir gemeinsam und kochen abwechselnd. Ich habe mir Anfang des Jahres ein Büro- und Musikzimmer im Keller eingerichtet und freue mich jetzt besonders darüber. Hier kann ich in Ruhe ein wenig arbeiten und mache tatsächlich viel Musik. Diese Zeit habe ich sonst nicht und genieße das sogar sehr. Ansonsten lese ich derzeit vieles von Bamberger Autoren wie Harry Luck und Martin Beyer. Das Ganze geht natürlich nur, weil wir Hilfe bekommen. Allen voran mein bester Freund Klaus Stieringer fragt täglich nach unseren Bedürfnissen und geht einkaufen.

Welchen Ratschlag würden Sie anderen in diesen Zeiten geben?

Seid lieb und wachsam. Achtet auf eure Mitmenschen und schaut, ob ihr irgendwo helfen könnt. Nutzt die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten und meldet euch bei Menschen, die einsam sein könnten. Diese Zeit ist besonders hart für allein lebende Menschen. Bezieht eure Informationen aus Erstquellen wie dem Robert-Koch-Institut und hört zu, was die örtlichen Behörden über die Medien bekanntgeben. Lasst euch nicht verrückt machen und sucht auch nach den Chancen, die in dieser Zeit stecken. Ein bisschen zu sich selbst finden oder das Buch lesen, das schon so lange ungelesen rumliegt. Entdeckt alte Familienrituale wieder. Gemeinsames Fernsehen, Radio hören oder vorlesen. Zelebriert eure Mahlzeiten. So schlimm gerade alles ist, so sehr kann uns auch diese Zeit einander als Menschen näherbringen. Das Gespräch führte Anika Ferko.