"Eigene Integrationsleistungen sollen unmöglich gemacht werden"

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"Perfektionierung der Abschreckung" - So nennt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, die in Bayern eingerichteten Transitzentren. Diese ...

"Perfektionierung der Abschreckung" - So nennt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, die in Bayern eingerichteten Transitzentren. Diese Sonderlager sollen nun nach Sondierungsgesprächen der Union und SPD zum bundesweiten Modell in Deutschland ausgedehnt werden: "Ein Albtraum für alle Betroffenen!", zeigte er sich entsetzt. Den deutlichen Worten, mit denen Thal die in Bayern praktizierte Flüchtlingspolitik scharf an den Pranger stellte, wollten am Dienstagabend im evangelischen Gemeindehaus zahlreiche Interessierte zuhören. Unter ihnen befanden sich viele in der Flüchtlingsarbeit Engagierte, Flüchtlinge aber auch einige, die der Arbeit des Flüchtlingsrates alles andere als wohlgesonnen sind ...
Derzeit gibt es - so Thal - fünf Erstaufnahmeeinrichtungen in Zirndorf, München, Schweinfurt, Bamberg sowie Augsburg/Donauwörth. Nur noch ein Teil der Flüchtlinge mit Gestattung und Duldung wird in Gemeinschaftsunterkünften oder dezentral untergebracht. Die Aufnahme- und Rückführungseinrichtung (ARE) Manching/Ingolstadt wurde in ein Transitzentrum umgewandelt, ebenso wie die Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) Regensburg und Deggendorf.
Die EAE Bamberg bleibt auch eine ARE für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern. Die seit ihrer Eröffnung in der Kritik stehenden Transitzentren sind kombinierte Ein- und Ausreiselager, in denen viele Flüchtlinge von der Einreise bis zur Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und im Fall der Ablehnung bis zur Ausreise kaserniert werden. Betroffen sind Flüchtlinge aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von unter 50 Prozent. Manching/Ingolstadt (1750 Plätze) ist zuständig für Ukraine, Nigeria, Afghanistan und die Balkan-Staaten, Regensburg (750 Plätze) für Moldau und Äthiopien sowie Deggendorf (1964 Plätze) für Sierra Leone und Aserbaidschan.
"Die Lebensbedingungen in den Transitzentren sind sehr schlecht", verurteilte er. Es gebe viel zu wenig Platz in Mehrbettzimmern. Für die gesamte Aufenthaltsdauer herrsche Residenzpflicht auf Stadt oder Landkreis, Arbeits- und Ausbildungsverbot sowie striktes Sachleistungsprinzip.
Die medizinische Versorgung sei eingeschränkt. Verfahrensrelevante Atteste und Gutachten könnten nicht beschafft werden. Kinder dürften nur die Lagerschule besuchen. "Eigene Integrationsleistungen sollen unmöglich gemacht werden", verdeutlichte er. Bayern schalte in den Abschreckungsmodus und ignoriere dabei, dass es sich um Schutzsuchende und Schutzbedürftige handle.
Diese "bayerische Art" der Flüchtlingspolitik lasse viele Flüchtlinge verzweifeln. Nach dem Willen von Union und SPD sollten diese Transitzentren als sogenannte Anker-Flüchtlingseinrichtungen in ganz Deutschland eingerichtet werden.
Anschließend entbrannte eine kontrovers geführte Diskussion mit vielen Wortmeldungen, bei denen der Flüchtlingsrat überwiegend mit Zuspruch bedacht wurde; sich teilweise aber auch heftigen plakativen Unterstellungen ausgesetzt sah. Laut Thal setze sich seine Organisation dafür ein, in Deutschland Ankommenden menschenwürdige Lebensbedingungen zu gewähren - ebenso wie rechtliche Unterstützung und ein sauberes Verfahren. Der Aufenthalt in großen Aufnahmeeinrichtungen sollte so kurz wie möglich gehalten werden, da diese Situation extrem belastend sei. Man solle sich nicht auf Hetzerei und Stimmungsmache einlassen, sondern sich informieren. Eine liberale Asylpolitik, so würdigte Barbara Heinlein vom Arbeitskreis Asyl Kronach, lebe beispielsweise Uganda vor, eines der ärmsten Länder. Scharf kritisierte sie das Arbeitsverbot für Flüchtlinge: "Flüchtlinge wollen keine Almosen, sondern für sich selbst sorgen. Wenn wir nicht so doof wären, dann könnten sie das tun, Steuern und Sozialbeiträge zahlen." Man sollte sich verdeutlichen, wo unser Luxus in Deutschland herrühre. Arme Länder würden ausgebeutet und Krieg werde auch mit deutschen Waffen geführt. "Man sollte nicht immer sagen, ,die da‘", schloss sich ihr KAB-Diözesansekretärin Maria Gerstner an. Zeige man mit einem Finger auf andere, zeigten vier auf einen selbst zurück. Stattdessen sollte man fragen, was das eigene Verhalten mit der jeweiligen Situation zu tun habe. Was man heute tue, komme zurück. Sie wolle sich nicht später einmal von ihren Enkeln fragen lassen müssen, warum man das zugelassen habe.
Dekanin Dorothea Richter konnte nicht nachvollziehen, dass Flüchtlinge, die alles dafür täten, sich zu integrieren, mühsam Deutsch erlernten und sogar in Ausbildung seien, abgeschoben würden. Eine "Frage" einer Kritikerin war, wo all die traumatisierten, kriegsverletzten Flüchtlinge seien. Sie sehe nur junge, fitte Männer. Einer von ihnen saß genau vor ihr. Er antwortete nicht, sondern hob die Prothese seines linken Beines in die Höhe - stillschweigend!