Druckartikel: Düngerfabrik unter Tage

Düngerfabrik unter Tage


Autor: Johannes Schlereth

LKR Bad Kissingen, Donnerstag, 28. April 2022

Unsere Heimat besteht nur aus Basalt und Buchen? Falsch. Das beweisen wir Ihnen in unserer Serie "Wilde Rhön". Das heutige Thema: Bakterien, Pflanzen und eine deftige Suppe.


Johannes Schlereth

Bakterien - die Einzeller stehen nicht unbegründet in der Kritik. Gelten die Gesellen doch als Geißel der Menschheit. Und: Sie sind überall. In der Luft. Auf Gegenständen. Im Boden. Und genau dorthin möchte ich Sie heute mitnehmen: Unter Tage. Aber keine Bange - für die heutige Folge muss sich niemand mit Grubenlampe und Kanarienvogel in einen alten Rhöner Braunkohle-Stollen am Bauersberg zwängen. Glück auf! Heute geht es um das wunderliche Teamwork von Knöllchenbakterien und Leguminosen - laut Max-Planck-Gesellschaft eine der wichtigsten Kooperationen der Welt. Ein Leben, wie wir es kennen, wäre ohne sie nur schwer möglich.

Suppenbeilage

Aber werfen wir zuerst einen Blick ins Biologiebuch. Leguminosen, das sind Schmetterlingsblütler. Dabei handelt es sich um eine der artenreichsten Pflanzenfamilien. Neben den Wicken oder Kleearten und vielem mehr fällt darunter auch all das, was in eine gute Suppe passt. Also Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen oder etwa Linsen. In der Bevölkerung gelten sie als nicht besonders sexy. Heinz Erhardt brachte es auf den Punkt: "Es gibt Gerüchte, dass Hülsenfrüchte - in Mengen genommen - nicht gut bekommen." Allerdings wollen wir uns weniger mit der Frage beschäftigen, ob es möglich ist, nach dem Linseneintopf eine Ballonfahrt zu unternehmen, sondern mit dem Zusammenspiel zwischen Pflanzen und Bakterien. Was eine Pflanze zum Leben braucht, ist klar. Luft, Licht, Wärme, Wasser und ein paar Nährstoffe reichen meist dafür aus, dass es sprießt. Wichtig ist insbesondere der Stickstoff. In der Natur kommt er meist nur gasförmig als Hauptbestandteil der Luft vor. Das sorgt für unsere Erbsenpflanze für ein Problem. Sie ist nicht in der Lage, den Stickstoff aus der Luft oder aus dem Wasser zu nutzen. Blöde Nummer - ohne Stickstoff wächst es sich schlecht. Eine Natur, wie wir sie kennen, existiert ohne das Element nicht. Das edle Stöffchen ist somit von grundlegender Bedeutung für das Leben. Im Garten lässt sich das leicht lösen. Kümmert das Gewächs, hilft Omas Blaukorn. Der Dünger enthält viel Stickstoff. Allerdings kann die Natur das auch ohne unser Zutun - mit unterirdischen Dünger-Fabriken.

DIY in der Natur

Denn es gibt Bakterien, die den Stickstoff aus der Luft nicht nur binden, sondern auch pflanzentauglich umbauen können. Im Lauf der Evolution kamen Pflanze und Bakterie zusammen. Der Grundstein dafür wurde - so die Max-Planck-Gesellschaft - wahrscheinlich nur ein einziges Mal vor rund 100 Millionen Jahren gelegt. Aber was passiert da eigentlich? Über chemische Botenstoffe lockt die Pflanze im Wurzelbereich die Stickstoffsammler an. Diese setzen sich an den feinen Wurzelhärchen fest. Die Pflanze überwallt die Bakterien mit der Wurzel. Als Folge entstehen Knoten im Wurzelbereich. Während die Pflanze über die Knöllchenbakterien Stickstoff erhält, den sie verwerten kann, bekommt der Einzeller Stoffe aus der Photosynthese. Heißt: Die Erbse macht sich unabhängig vom Stickstoffgehalt des Bodens, so dass sie auch auf unwirtlichen Böden wächst. Und: Die Bakterien sind fleißig. Bis zu 100 Kilo Stickstoff können sie pro Hektar binden. Den Trick machen sich Landwirte oft zu Nutzen, indem sie als Zwischenfrucht Leguminosen wie Klee anbauen, um den Boden zu düngen. Eine coole Nummer, die aber auch für Probleme sorgt.

Braunes Erbe

Das Problem ist etwa 1,5 Meter hoch und ist blaublütig: die Lupine. Wie Klee oder Erbse baut auch sie eine unterirdische Düngerfabrik auf. Das wollten sich braune Despoten in den 1940er Jahren zu Nutzen machen, um die Rhön urbar zu machen. Im großen Stil brachte der Reichsarbeitsdienst damals die Lupine im Land der offenen Fernen aus. Wie auch den Gedanken, einen Weltkrieg vom Zaun zu brechen, haben die Nazis ihre Pläne mal wieder nicht zu Ende gedacht. Die Folge: Mit dem braunen Agrarexperiment kämpfen wir noch heute. Denn die Lupine passt nicht auf die Rhöner Magerrasen. Die Hochlagen bieten vielen Arten, die vom Aussterben bedroht sind, einen Lebensraum. Für sie gilt ein Verschlechterungsverbot.

Aber wie es eben so ist, schert sich die Natur nicht um menschengemachte Regeln.

Durch ihre unterirdische Düngerfabrik verdrängt sie die charakteristischen Pflanzen wie Arnika, Trollblume oder Orchidee, die auf magere Böden angewiesen sind. Und das in großem Stil. Schon eine Lupine reicht aus, um großen Schaden anzurichten. Ähnlich wie ein Kind beim Kirschkernspucken, verbreitet die Lupine ihre etwa 2000 Samen bis zu sechs Meter weit. Jahr für Jahr zieht es deshalb Freiwillige in die Rhön, um die Lupine zu mähen, damit sich die Verbreitung in Grenzen hält.