Dokumentation ist "Schikane"
Autor: Sabine Memmel
Höchstadt a. d. Aisch, Montag, 16. März 2015
mindestlohn Seit 1. Januar müssen Arbeitgeber Beginn, Pausen und Ende jedes Arbeitstags ihrer Mitarbeiter genau festhalten. Zu viel Bürokratie, sagen die Betroffenen. Für die Gewerkschaft ist es dagegen ein absolutes Muss.
von unserem Redaktionsmitglied
Sabine Memmel
Erlangen-Höchstadt — Der gesetzliche Mindestlohn ist für Jürgen Leicht, Geschäftsführer der Zimmerei Leicht in Höchstadt, nichts Neues. Im Bauhauptgewerbe gilt er bereits seit 1997. Genervt ist der Zimmermeister erst seit ein paar Wochen. Nicht etwa wegen der Bezahlung, die für Angestellte im Büro bei mindestens 8,50 Euro pro Stunde und bei Mitarbeiter auf der Baustelle bei mindestens 11,15 Euro pro Stunde liegt. "Wir sind vom Lohnniveau noch höher. Den Mindestlohn selbst stellen wir überhaupt nicht in Frage", erklärt Leicht.
Was ihn stört, ist die Dokumentationspflicht. Sie schreibt seit dem 1. Januar nämlich zwingend vor, jede einzelne geleistete Arbeitsstunde der Mitarbeiter aufzuzeichnen. Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit müssen genau festgehalten werden.
"Für unsere gewerblichen Mitarbeiter gilt die Dokumentationspflicht schon die ganze Zeit, aber jetzt müssen wir es auch noch für die Büroangestellten machen, und davon halte ich gar nichts", kritisiert Leicht. Denn in seinem Fall sind das seine Frau und seine Mutter. "Und es sind in vielen kleinen Betrieben Familienangehörige. Da läuft die Arbeitszeit auf Vertrauensbasis", ergänzt er.
Praxisgerechte Lösung finden
Nun werde es immer mehr Schreiberei und ein immer größerer Zeitaufwand. Leicht zufolge müsse man bei dem Gesetz deshalb viel mehr unterscheiden zwischen den einzelnen Branchen und der Betriebsgröße. "Bei einem Betrieb mit tausend Leuten sehe ich das ein, aber nicht bei kleinen Handwerksbetrieben."
Die Sanitärbranche war bisher völlig von der Dokumentationspflicht ausgenommen.
Doch auch hier muss jetzt die Arbeitszeit der Mitarbeiter genau aufgezeichnet werden. "Das ist ein enormer Aufwand und ein Baustein mehr hin zum Bürokratismus", findet Wolfgang Mevenkamp, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Erlangen-Hersbruck-Lauf.
Der Mindestlohn selbst ist für ihn überhaupt kein Thema, doch man müsse überlegen, wie man das Gesetz praxisgerechter gestalten könnte. "Die Betriebe sind am Schimpfen. Dafür hab' ich auch volles Verständnis." Auch Siegfried Beck, Kreishandwerksmeister und Chef der rund 130 "Beck"-Filialen in der Region, hofft, dass langfristig eine bessere Lösung gefunden wird: "Für kleine Betriebe ist das viel Bürokratie und deutlich mehr Arbeit."
Unterstützung erfahren die Unternehmer auch aus der Poltik.
Überhaupt kein Verständnis für die Dokumentationspflicht hat nämlich Peter Brehm, Vorsitzender der Mittelstands-Union der CSU Erlangen-Höchstadt. Für ihn ist sie realitätsfremd, ein Bürokratiemonster und "pure Schikane": "Wenn die Politiker ein Unternehmen führen müssten, würden sie das nicht einführen. Wir haben Besseres zu tun und müssen uns um unsere Kunden kümmern." Er fordert deshalb, dass die Dokumentationspflicht, so wie sie das Mindestlohngesetz vorsieht, wieder gestrichen wird. Die Aufzeichnung der Anzahl der Stunden reiche völlig aus, und die sei durch Stempeluhren ohnehin häufig vorhanden.
Wolfgang Niclas, Vorsitzender des Kreisverbands Erlangen-Höchstadt des Deutschen Gewerkschaftsbunds, hat dagegen überhaupt kein Verständnis für diesen Protest. Die Erfassung der Arbeitszeit sei eine zeitlich geringfügige Anstrengung und absolut überschaubar.
Die Tatsache, dass einige Branchen stärker kontrolliert würden als andere, hänge damit zusammen, dass auf der Vergangenheit begründet ein "massiver Verdacht der Schwarzarbeit" vorliege. "Es wollen einige Herrschaften den Mindestlohn nicht kontrolliert haben. Denen muss man auch unterstellen, dass sie den Mindestlohn nicht wollen", findet Niclas.
Strafen bis zu 30 000 Euro
Um die Dokumentationspflicht drücken kann sich kein Unternehmer. Sind die Arbeitszeiten nicht richtig oder nicht vollständig aufgezeichnet, ist das eine Ordnungswidrigkeit, und es droht eine Strafe von bis zu 30 000 Euro. Mevenkamp erklärt: "Kontrollen können unangekündigt stattfinden."