Druckartikel: Diese Knolle hat es in sich

Diese Knolle hat es in sich


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Bad Kissingen, Mittwoch, 12. Januar 2022

Landwirtschaft  Landwirte erklären, weshalb im Landkreis Bad Kissingen kaum Kartoffeln angebaut werden, im Grabfeld dafür um so mehr.
Kartoffeln sind aus der heimischen Küche nicht wegzudenken. Direktvermarkter profitieren davon, dass der Wunsch nach heimischen Erzeugnissen steigt.


Dass ein botanischer Garten im hohen Norden ausgerechnet die Kartoffel zur Giftpflanze des Jahres 2022 auserkoren hat, wundert Kartoffelanbauer wie Hans Pfülb oder Andreas Schlembach schon etwas. Natürlich wissen sie, dass die leckere Knolle im rohen Zustand nicht gegessen werden sollte. Aber das ist ja eigentlich allgemein bekannt. Den Kartoffelhunger soll die Auszeichnung den Menschen auch nicht nehmen. Vielmehr werde die Kartoffel somit zur Botschafterin dafür, dass es mit wenigen Grundkenntnissen problemlos möglich sei, unfallfrei mit Giftpflanzen in Haus und Garten zu leben, heißt es in der Erläuterung. Eines ist sicher. Die Kartoffel ist in Deutschland eines der beliebtesten Lebensmittel. Bei 57 Kilogramm liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch. Trotzdem spielt der Kartoffelanbau im Landkreis eine winzig kleine Nischenrolle. Ein Absatzmarkt ist sie nur noch für wenige Direktvermarkter, weil bei ihnen die Nachfrage nach nachhaltig produzierten, regionalen Feldfrüchten wächst. Die Anbaufläche für Kartoffeln im Kreis ist somit verschwindend klein. Sie liegt unter einem Promille.

Für den Biobauernhof Pfülb in Fuchsstadt ist der Kartoffelanbau dennoch ein wirtschaftliches Standbein. Auf rund eineinhalb Hektar Fläche wachsen bei den Pfülbs Kartoffeln heran. Damit sind sie die größten Kartoffelanbauer im Landkreis. Die meisten Kunden fragen nach vorwiegend festkochenden Sorten, berichtet Hans Pfülb. Drei bis vier Sorten hat die Familie im Sortiment, vorwiegend festkochende, aber auch eine mehlige Sorte. Sein Eindruck ist: Die Kartoffel kommt wieder zurück. Galt sie vor einigen Jahren noch als Dickmacher, wisse man heute, dass sie ein sehr vielseitiges, gesundes Lebensmittel sei. "Und sie ist ein billiges Lebensmittel", betont Hans Pfülb. Die Pfülbs sind selbst überzeugte Kartoffelesser. Die Knolle kommt bei ihnen regelmäßig auf den Tisch, verrät der Fuchsstädter Landwirt.

Auf dem Biobauernhof Schlembach in Kleinwenkheim werden im Hofladen ebenso Kartoffeln aus Eigenanbau angeboten. Der Erlös aus dem Verkauf sei gut, sagt Andreas Schlembach. Deshalb lohnt sich für ihn der Anbau auf rund einem halben Hektar Fläche. Es rentiert sich aber nur, weil die Schlembachs ihr eigenes Produkt direkt verkaufen. Dafür hat man auf dem Hof sogar investiert, unter anderem in ein Kartoffellager. Liefe der Absatz über den Zwischenhandel, sähe es anders aus. "Da können wir nicht konkurrieren."

Kartoffelanbau im großen Stil hat im Landkreis keine Zukunft. Da sind sich die beiden Biobauern mit dem Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes (BBV), Edgar Thomas, einig. Auch Thomas´ Tochter Franziska hat einen kleinen Kartoffelacker, um Knollen von der eigenen Scholle im Hofladen anzubieten. "Die Kartoffel ist eine tolle Pflanze", findet Edgar Thomas. Dass sie im Kreis trotz ihrer Beliebtheit kaum auf die Äcker kommt, liegt daran, dass die Böden zwischen Saale-, Lauertal und Rhön für die Kartoffel nicht gut sind. Es braucht leicht sandiges, gut durchlüftetes Erdreich, berichten die Landwirte. Das fehlt hier. Dadurch wachsen die Erdäpfel nicht so gut und kommen zudem meist schmutziger aus der Erde als anderswo. Das wiederum bedeutet noch mehr Aufwand, denn mit Erde verklumpte Kartoffeln sind beim Verbraucher nicht unbedingt beliebt.

Typische Feldfrüchte sind im Landkreis deshalb Getreide, Raps, Mais. Früher hätten die meisten Landwirte aber für den Privatgebrauch und für Verwandte im Ort immer einen Streifen Kartoffeln mit angebaut, weiß Edgar Thomas. Aber selbst der Anbau für den Eigenbedarf wird immer weniger.

Der schwindende Anbau liegt nach Meinung von Hans Pfülb auch am Höfesterben der vergangenen Jahrzehnte. In der konventionellen Landwirtschaft gebe es eine wachsende Konzentration auf wenige Großbetriebe mit großen Flächen. Stimmen die Bodenverhältnisse nicht, sei für sie die Kartoffel nicht wirtschaftlich.

Andreas Schlembach liefert eine Erklärung, weshalb im begrenzten Umfang die Knolle für Direktvermarkter interessant ist. Auch in den privaten Hausgärten würden anders als früher kaum mehr Kartoffeln geerntet. So weichen diejenigen, die trotzdem ein heimisches Produkt bevorzugen, auf die Hofläden aus.

Diese These deckt sich mit einer Beobachtung von Kreisgartenfachberater Dieter Büttner. Der klassische Hausgarten mit Gemüsebeeten spielt heute eine geringere Rolle als früher. Das liege auch daran, dass die Grundstücke immer kleiner werden. Der sonnige Gartenplatz, auf dem Gemüse idealerweise angebaut wird, werde anders genutzt. Selbst in den einstigen Krautgärten im Umgriff von Ortschaften wüchsen heute nicht unbedingt Kartoffeln und Co. "Es ist wohl aus der Mode gekommen", meint Dieter Büttner. Allerdings schränkt er ein, dass er durchaus eine gewisse Rückbesinnung registriert. "Ich habe den Eindruck, dass es schon einmal schlechter war."

Blick in die Statistik

Während im Landkreis Bad Kissingen nur ein verschwindend geringer Teil der Ackerfläche dem Kartoffelanbau dient, sieht es nur wenige Kilometer weiter, im Nachbarlandkreis Rhön-Grabfeld, anders aus.

Dort ist die Anbaufläche neunmal so hoch, ist die Auskunft von Stefan Fella vom Amt für Landwirtschaft und Ernährung in Bad Neustadt. Denn im Grabfeld gibt es gute Kartoffelböden. Die Statistik belegt das. Im Landkreis Rhön-Grabfeld kultivierten 2020 153 Betriebe auf rund 240 Hektar Fläche Kartoffeln (2010: 330 Betriebe ca. 210 Hektar). Dort ist in den vergangenen zwölf Jahren die Anbaufläche sogar angewachsen.

Im Landkreis Bad Kissingen bauten 2020 insgesamt 185 Betriebe (Haupt- und Nebenerwerbslandwirte) auf gerade einmal 27 Hektar Kartoffeln an (2010: 235 Betriebe und 40 Hektar Kartoffeln). Bei einer landwirtschaftlichen Fläche von 39 206 Hektar liegt man damit unter dem Promillebereich.