Die Zeit lässt für einen Augenblick los
Autor: Mariell Dörrschmidt
, Montag, 18. Sept. 2017
Mariell Dörrschmidt Die Kompositionen wirken spannend und dynamisch. Nicole Bold stellt in der Abstraktion die Lebendigkeit der Natur da. Es scheint, als le...
Mariell Dörrschmidt
Die Kompositionen wirken spannend und dynamisch. Nicole Bold stellt in der Abstraktion die Lebendigkeit der Natur da. Es scheint, als lebe die Malerei auf den Leinwänden. "Farbenfroh", bekunden einige Besucher bei der Vernissage am Sonntagabend die Kunstwerke, bleiben eine Zeit lang vor den Bildern stehen und lassen die Bilder auf sich wirken.
Was beim ersten Blick noch unentdeckt bleibt, lässt auf den zweiten Blick erstaunen und erkennen. Das Wechselspiel hervor- und zurücktretender Elemente, aussagekräftiger Lichter und Schatten, amorphe Formen und unterschiedliche Farbintensitäten erwecken energiegeladene Natureindrücke. Kanten liegen der Künstlerin nicht, vielmehr die Formen der Natur und die Kombination von Schichten und Ebenen.
Der Titel der Ausstellung "Warum so eilig?" sei ein Appell an die Besucher, sich Zeit zu nehmen, sich auf die Kunstwerke einzulassen und die Philosophie dahinter zu verstehen. Denn dann passiere etwas ganz Besonderes. Die Bilder beginnen sich zu verändern: "Für einen Augenblick lässt die Zeit uns los", so Nicole Bold über ihre Kunst, die immer im Wandel sei. "Warum stehen bleiben, wenn es weitergeht?", denkt sie an das Zuwuchern der Natur und erklärt: "Manchmal ergänze ich auch noch Bilder, die schon in Galerien ausgestellt wurden."
Die Bilder zeigen Durchblicke, Ausblicke, Einblicke, Überblicke, und zielen vor allem auf die Vorstellungskraft der Besucher ab. "Ein übergeordneter Ort oder eine übergeordnete Wirklichkeit", beschreibt Bold ihre wirkungsintensiven Malereien selbst. Oft seien Reisen, Musik oder Literatur Anlass zur Inspiration: "Der Betrachter soll sich sein eigenes Bild von dem Ort machen." Jede Abbildung in der Fläche und jeder Umriss seien eine Abstraktion.
"Sie entwirft Utopien von Natur", geht Karol J. Hurec, Vorsitzender des Kronacher Kunstvereins, auf lebendig komponierte Raumstaffelungen, Überschneidungen und Verdichtungen von Flächen, Formen und wie zufällig wirkenden Elementen ein. Üblicherweise solle man Bilder auf sich wirken lassen, ohne dabei auf die Bildtitel zu schauen. Anders sei dies bei Nicole Bold: "Wir entdecken Beschreibungen von Handlungen, Interaktionen und wir werden zum Fabulieren angeregt. Wie geht der Text zum Bild weiter oder umgekehrt?", merkt Hurec an und denkt dabei an Bildtitel wie "Sie stießen Gesteinsbrocken die steilen Hänge hinab", "Wir mussten sehr früh starten", "Was geschieht im Verborgenen?" oder "Nichts bleibt jemals stehen."
Die Naturverbundenheit zieht sich wie ein roter Faden durch Leben und Werk von Nicole Bold. "Die Bildideen sind einfach gewachsen", erklärt die Künstlerin, die am Bodensee ihre Kindheit verbrachte. In ihren Abstraktionen erkenne man amorphe Formgebungen: "Sie sind nicht Abbild, sondern Erinnerung an etwas. Ein Horizont reicht beispielsweise, um an Landschaft zu denken", beschreibt Bold, die einen ganz bestimmten Effekt mit ihren Malereien erzeugen will: "Einige Farbelemente kommen nach vorne, andere treten nach hinten." Durch die vielen Schichten, die auf den Bildern zu erkennen sind, entstehe ein Raum, in dem verschiedene Elemente schweben: "Das sind Reaktionen der Farbe. Was nach vorne kommt, kippt und geht nach hinten, so verwebt und vernetzt sich das Ganze."
Um diesen Effekt zu erreichen, lässt sich Bold vor allem durch Farbwirkungen inspirieren: "Um bestimme Intensitäten zu erreichen, mische ich manche Farben selbst." Die Vielschichtigkeit der Natur entwickle die Künstlerin in ihren neuesten Arbeiten auf Glas weiter: "Wie bei chemischen Analysen werden Elemente unter ein Mikroskop gelegt, in einzelne Schichten aufgespalten, getrennt und dann wieder modellhaft im Bilderrahmen in mehreren Gläsern zusammengesetzt", beschreibt Hurec die kreativen Glasbilder der Künstlerin.