Druckartikel: Die Übergriffe begannen, als das Mädchen erst 13 Jahre alt war

Die Übergriffe begannen, als das Mädchen erst 13 Jahre alt war


Autor: Katja Nauer

Coburg, Donnerstag, 11. Juni 2015

von unserer Mitarbeiterin Katja Nauer Coburg — Das Klinikum in Kutzenberg attestierte ihr eine Anpassungsstörung und äußerte den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörun...


von unserer Mitarbeiterin Katja Nauer

Coburg — Das Klinikum in Kutzenberg attestierte ihr eine Anpassungsstörung und äußerte den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung, die mit einer Persönlichkeitsveränderung einhergehe. Diese Diagnose legte Christian Müller, der Anwalt ihres Stiefvaters, einer 20-jährigen Coburgerin zu ihren Ungunsten aus. Die Frau hatte ihren Stiefvater des sexuellen Missbrauchs bezichtigt.
Die 20-Jährige sei keine verlässliche Zeugin und nicht glaubhaft, sagte Müller in seinem Plädoyer. Das sahen sowohl Oberstaatsanwalt Martin Dippold als auch Amtsrichter Wolfgang Bauer und die beiden Schöffen anders: "Die Diagnose spricht auch für die Glaubwürdigkeit der Zeugin", argumentierte Bauer. Für die posttraumatische Belastungsstörung müsse ein Trauma vorhanden sein.
Im Alter von 13 Jahren, so die Anklage, sei das junge Mädchen vom Stiefvater mehrfach unsittlich berührt worden. Außerdem soll der Mann drei seiner fünf leiblichen Kinder geschlagen haben. Als das Mädchen mit ihrem Freund das Jugendamt einschaltet, kamen die Kinder zwei Wochen in eine Pflegefamilie.

Teilgeständnis

Der Stiefvater räumte ein, zwei seiner Kinder geschlagen zu haben. Den sexuellen Kontakt zur Stieftochter stritt er ab. Die Frau, die schon damals ihren eher schmächtigen Stiefvater um einiges überragt haben soll, habe sich gegen die Übergriffe in den Jahren 2008, 2009 und 2011 physisch und verbal gewehrt. Einen Termin für ein psychiatrisches Gutachten nahm die Zeugin allerdings nicht wahr. Der Grund: Sie wolle ein neues Leben anfangen, erläuterte sie. Als die junge Frau vor zwei Jahren ihren Freund kennengelernt habe, habe sich in der Familie alles zum Schlechten gewendet.
Das sagten sowohl die Oma als auch die Mutter aus und warfen dem Freund vor, das Mädchen negativ zu beeinflussen. Richter Wolfram Bauer glaubte dem nicht und hakte nach: "Sie haben sie (die Zeugin) zu hauswirtschaftlichen Tätigkeiten herangezogen und das wollte sie nicht mehr." Das Mädchen habe ihrem Stiefvater und der Mutter nicht mehr gehorcht, sondern auf ihren Freund gehört. Außerdem habe sie sich eine eigene Wohnung nehmen wollen.
Auch die Frage, warum das Mädchen so lange gewartet habe, bis sie ihren Stiefvater anzeigte, beschäftigte die Richter. Ein Vorfall mit ihrer kleinen Schwester habe ihr zu denken gegeben, sagte sie aus: "Danach hat es mir gereicht." Dass es diesen Vorfall gegeben habe, bestätigt ihr Freund vor Gericht. Auch die Staatsanwaltschaft sei diesem Fingerzeig nachgegangen, bestätigte Dippold. Das Verfahren sei eingestellt worden. In seinem Plädoyer bezeichnete Dippold die junge Frau als eine schwierige Persönlichkeit. Trotzdem habe er keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Er beantragte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten ohne Bewährung und eine Geldstrafe.

Urteil ist rechtskräftig

Verteidiger Christian Müller hatte deutliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin. "Das sind massive Vorwürfe", sagte er, "für den Angeklagten geht es um sehr viel." Er bat um Freispruch von den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs und eine milde Strafe. Das Gericht folgte den Ausführungen des Staatsanwalts und verurteilte den Mann zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren zur Bewährung sowie 250 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Das Urteil ist rechtskräftig.