Die tiefere Wahrheit in der Lüge
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Coburg, Freitag, 04. Oktober 2019
Der Coburger Krimi-Autor Volker Backert denkt sich Mordfälle aus. Wie aber hält er es mit der Wahrheit? Ist eine erfundene Geschichte gleich unwahr, oder kann darin doch eine tiefere Wahrheit verborgen liegen?
Niklas Schmitt Man kann sich den Krimi-Autor Volker Backert als düsteren Menschen vorstellen, der sich in seiner Freizeit in Mörder hineinfühlt. Ist er aber nicht. Aufgeschlossen und nachdenklich sitzt er in einem Coburger Café und denkt laut über das Verhältnis von Dichtung und Wahrheit in seinen Kriminalromanen nach.
Seit Goethes Autobiografie mit dem gleichen Titel ist das Begriffspaar zu einem geflügelten Wort geworden, das immer wieder dann bemüht wird, wenn sich Kritiker und Leser fragen, wie viel denn in einem Roman wirklich passiert, wie viel erfunden und ob die Erfindung nicht manchmal wahrer als die Wirklichkeit sein kann.
Kein Reiseführer
"Das ist ein Punkt, den man auch übertreiben kann", sagt Backert zur Genauigkeit, die für viele Regionalkrimi-Leser eine besondere Rolle spielt. Besucher wollen Land und Leute kennenlernen und die Einheimischen manche Ecken wieder entdecken. Dennoch sollte der Krimi kein Reiseführer sein, meint der Autor.
"Ich finde, der große Reiz liegt darin, idealtypische Szenen und Locations zu finden, als bloß Realitäten eins zu eins abzubilden." Wenn etwa der Kommissar ausgebrannt am Ufer des Mains sitzt und verloren auf die Weinberge schaut, dann muss es die Stelle, an der der arme Kerl sitzt, nicht geben. Aber die Stimmung, in der er sich befindet und das Lichterspiel am späten Abend, die seine Stimmung illustriert, die muss aus verschiedenen persönlichen Eindrücken zusammengesetzt sein, so Backert. Dann ist der Ort zwar frei erfunden, aber die Situation kann der Leser nachempfinden.
Realismus und Grusel
Was daran ist nun Dichtung, was Wahrheit? "Aber unterm Strich zählt beim Schreiben immer nur eins: Funktioniert es", erzählt der Autor aus der Praxis, "überzeugt es den Leser?" Ob ein Weg hinter dem Brunnen nun nach fünf oder zehn Metern rechts abbiegt, spiele keine Rolle in seinen Storys. Denn übertriebene Detailfreudigkeit lähmte nur den Handlungsverlauf und die Spannung.
Das ist gerade bei Backert wichtig, der sich mit seinen vier bisher erschienen Romanen einen Namen als Hard-Boiled-Autor gemacht hat. Das heißt, seine Bücher sind, wie er sagt, härter, schneller und schwärzer, oder einfach: Sex, Crime und Rock and Roll.
Nüchternheit und Grusel
Auf der anderen Seite weiß Backert aber auch: "Wenn ich einen Ort präzise benenne, dann muss das freilich stimmen." Schließlich kenne sich der Leser aus, was aber auch heißt, dass es nicht zu viele Details geben muss.