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Die Satirepartei macht Ernst


Autor: Heike Beudert

Münnerstadt, Samstag, 02. November 2019

Die Partei will in Münnerstadt in der Kommunalpolitik mitreden. Sie schickt eine Bürgermeisterkandidatin und sieben Stadtratskandidaten in den Wahlkampf. Die Nominierung erfolgte einstimmig.
Jetzt wird es ernst: Die Partei will in Münnerstadts Kommunalpolitik mitbestimmen. Die Kandidaten stoßen nach der Nominierungsversammlung erst einmal mit einem Bier an, froh, sich durch den ersten Wahlformular-Dschungel gekämpft zu haben (von links): Die Stadtratskandidaten Johanna Düring, Gabriel Düring, Tim Drignat, Klara Friedel, Adrian Bier und Bürgermeister- und Stadtratskandidatin Sonja Johannes. Stadtratsbewerber Hannes Friedel fehlt auf dem Foto, dafür zeigt Klara Friedel mit Smartphone ein Bild von ihm. Foto: Heike Beudert


Münnerstadt — Es war wohl nicht die geordnete, strikt durchgeplante Nominierungsversammlung, wie sie der Wähler von längst etablierten Parteien und Gruppierungen kennt. Ein bisschen improvisiert war sie schon, die Kandidatenkürung der Satirepartei "Die Partei". Doch was ist schon normal? Und eigentlich will "Die Partei" ja auch gar nicht richtig normal bzw. etabliert sein. Und so war die Nominierungsversammlung zur Kommunalwahl in Münnerstadt für die zumeist jungen Parteimitglieder ein Lehrstück deutscher Bürokratie und insofern auch ein Stück Realsatire, dieses Mal wohl nicht nur gewollt. Aber das weiß man ja nie so ganz genau.

"Das ist der Hammer", stellt Bürgermeisterkandidatin Sonja Johannes fest, als sie mit ihren Kollegen vor einem Berg von Papieren sitzt, die es vor der Abstimmung auszufüllen galt. Eigentlich soll die Nominierung jeden Moment beginnen. Angesichts der mehrfarbigen, vom Gesetzgeber verteilten Formblätter stellt Tim Drignat die wohl berechtigte Frage: "Wer hat gerade den Überblick?" Die Laune lässt sich dennoch keiner verderben. "Alles so gut verständlich", scherzt Adrian Bier, seit Donnerstagabend auch der Spitzenkandidat seiner Parte mit Platz 1 auf der Stadtratsliste.

Kampf mit der Bürokratie

Durch die Formalitäten muss sich auch die Satire-Partei kämpfen, will sie mit eigenen Kandidaten ins Rennen gehen. Was für die großen Volksparteien ein Routine-Akt ist, weil meistens irgendwer dabei ist, der das Prozedere schon mehrfach organisiert hat, haben die Mitglieder von "Die Partei" - wie wohl der überwiegende Teil der Münnerstädter Bürgerschaft - sich vorher noch nie mit Wahlordnung und zugehöriger Papierflut befassen müssen. "Das ist unser erstes Mal", verkündet Sonja Johannes schulterzuckend, aber immer noch entspannt in der Runde; eine gute Handvoll Unterstützer hatte sich dazugesellt, die mitwählen wollten.

Junge Mannschaft

Für mehr als die Hälfte der Listenkandidaten war der Abend in jeder Hinsicht Neuland und eine Premiere. Denn sie sind noch so jung, dass sie erstmalig überhaupt an einer Kommunalwahl aktiv und passiv teilnehmen können.

Doch irgendwie klappt dann doch alles. Der Rest geht Ratzfatz über die Bühne. Auf große Reden wird verzichtet. Eine kurze Vorstellung reicht aus. Die Anwesenheitslisten sind ausgefüllt, die nötigen Unterschriften gesetzt. Auch der Rückzieher einer ursprünglich für die Liste vorgesehenen Kandidatin kurz, bevor die Versammlung eröffnet wird, kann improvisiert gemeistert werden. Die 18-jährige Klara Friedel springt spontan ein. Anders wäre die erforderliche Mindestzahl an Listenkandidaten (es sind sieben) nicht erreicht worden. 13 Ja-Stimmen gibt es für die Bürgermeisterkandidatin und die Stadtratsliste - zweimal ein einstimmiges Ergebnis. "Besser als beim Söder", tönt es aus der Ecke der Unterstützer.

Mit Tatendrang

Die Partei will auf jeden Fall einen, vielleicht auch zwei oder drei Kandidaten in den Stadtrat bringen. So viel ist an diesem Abend herauszuhören. Mit "Tatendrang" möchte Adrian Bier mitarbeiten, erklärt er den Anwesenden mit sarkastischem Unterton, damit es in der Stadt so "super läuft wie vorher". Obwohl er erst 20 Jahre alt ist, hatte er wegen des Skaterparks schon öfter mit der Stadt zu tun gehabt - mit wechselndem Erfolg.

Nicht alle der sieben Listenkandidaten erwarten, im Frühjahr 2020 in den Stadtrat einzuziehen. Und auch mit Politik hatten einige bislang wenig am Hut, wie Tim Drignat frei heraus zugibt. Doch sie machen mit, damit eine Liste überhaupt zustande kommt.

Und immer wieder ploppt die Satirepartei an diesem Abend auf: so auch, als Sonja Johannes verkündet, dass sie auf der Stadtratsliste steht, weil sie - klappt es mit dem Bürgermeisteramt nicht - wenigstens eine Aufwandsentschädigung als Stadträtin erhalten würde.

Grenzen verschwimmen

So ganz weiß man ohnehin nie: Was ist ernst, was ist einfach nur überspitzt. Die Grenzen zwischen Realität und Satire verschwimmen ganz bewusst, auch beim Wahlprogramm ist das so. Ungewohnt halt, für den Normalbürger.

"Jünger, digitaler, irgendwas" - ist ein Slogan; "Mürscht First", ein anderer. Dazwischen wird für ein SUV-Supertreffen in der Stadt und Waldbaden in der City oder "Irgendwas mit Stadtentwicklung" angekündigt. "Wir machen unser Kaff fit mit Lösungen des 21. Jahrhunderts".

Einige Monate sind seit der Gründung des Orts- und Kreisverbandes der Gruppierung "Die Partei" vergangen. Um die 40 Mitglieder habe man bisher geworben, erklären die Mitglieder aus dem Ortsvorstand. Sie wollen mit ihrer Art des Wahlkampfes und der Kommunalpolitik erreichen, dass gerade auch Erst- und Jungwähler an die Wahlurne gehen und von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen.