Die rauen Sitten unserer Vorfahren
Autor: Britta Schnake
Höchstadt a. d. Aisch, Montag, 15. Juni 2020
Wer im 16. oder 17. Jahrhundert in Höchstadt ein Verbrechen beging, musste mit Folter und Tod rechnen.
"Diebe, Mörder, arme Sünder", so lautet der Titel einer der Führungen, die Christiane Kolbet unter dem Oberbegriff "Aischgrund-Touren" anbietet. Corona hat ihr allerdings im wahrsten Sinne des Wortes die Tour(en) vermasselt, wo sie doch gerne erzählt, wer so alles gemeuchelt wurde damals und wie man mit Straftätern früher umgesprungen ist.
Bereits vor dem Neustart der Führungen nahm sich Kolbet Zeit für den FT und zeigte all die "lauschigen" Plätzchen, welche den wenigsten Höchstadtern wirklich bekannt sein dürften. "Im Großen und Ganzen waren die Höchstadter gottesfürchtig und fromm und haben sich wenig zuschulden kommen lassen", nimmt Kolbet gleich zu Beginn die Hoffnung auf ausufernde Bluttaten und Gemetzel. "Schwere Straftaten wie Mord, Brandstiftung und schwerer Diebstahl wurden im Amt Höchstadt vor einem Laienrichter und zwölf Schöffen verhandelt, Bagatellsachen wie Schlägereien und Beleidigungen vor zwölf Bürgerräten und dem Bürgermeister." Den Verhandlungen zugrunde lag laut Kolbet die Bamberger Halsgerichtsordnung von 1507, in welcher jedwedes Vorgehen exakt beschrieben wird.
Dann demonstriert Kolbet am eigenen Leib die Schandgeige. Ein aus Eichenholz gefertigtes, geigenförmiges Teil mit drei Löchern. Durch das große steckte man den Kopf, die Hände kamen in die kleinen Löcher. "Das war eine Art Pranger, eine Strafe", erklärt Kolbet. "Scharfzüngige Frauen mussten damit an einem öffentlichen Ort etwa eine Stunde stehen."
Untergebracht waren Straftäter bis zur Verhandlung im Keller des alten Rathauses, dem "Loch", wie Kolbet erklärt. Sie erzählt, dass man dort unter anderem landete, wenn man den Bürgermeister kritisierte. Heute befindet sich dort das Heimatmuseum. "Angebaut am alten Rathaus war ein sogenannter Narrenkäfig", sagt Kolbet, "wenn man zum Beispiel nach einem Kneipenbesuch nachts laut grölend durch die Straßen zog, musste man zur Strafe dort ungefähr eine Stunde einsitzen."
Ein weiterer Ort, an dem Verbrecher auf ihre Verhandlung warteten, war das 1602 erbaute Büttelhaus in der Brauhausgasse 3. "Der Büttel war ein Stadtknecht und schlecht angesehen", erklärt Kolbet. "Er war schlecht bezahlt und hatte viel zu tun, war er doch zuständig für Festnahmen, Versorgung der Gefangenen und brachte diese auch zum Gericht."
"Peinliche Befragung"
Und dann war da ja noch der Zwickturm ... Laut Kolbet wurden dort Verbrecher, die nicht freiwillig ein Geständnis ablegten, einer "peinlichen Befragung" unterzogen, sprich: Sie wurden gefoltert. Dau-menschrauben, Beinschrauben und Zug waren damals die Mittel der Wahl. Kolbet zeigt die Vertiefungen in der Stadtmauer im Engelgarten, wo der Zwickturm zu jener Zeit stand. "Wer trotz der Folter nicht gestand, war frei. Und der Henker, der die peinliche Befragung durchgeführt hat, musste den Gefangenen pflegen und versorgen. Aber nur in den wenigsten Fällen wurde Folter angewandt", sagt Kolbet, "80 Prozent haben freiwillig gestanden, wenn man ihnen die Folterwerkzeuge ge-zeigt hat."
Frauen wurden in der Regel nicht gefoltert, was laut Kolbet zum großen Teil daran lag, dass die meisten Straftaten von Männern begangen wurden. Der Stadtführerin selbst ist nur eine Frau bekannt, die im Zwickturm landete, "Apolonia Gabrielin aus Wassertrüdingen. 1545 wurde sie mit drei Männern wegen Brandstiftung festgenommen. Sie war zum damaligen Zeitpunkt schwanger. In dem Zustand wurde sie peinlich befragt. Das Urteil wurde sechs Wochen später gesprochen, nachdem sie geboren hatte."