Die "Ramschleite" ist ein Freiluftlabor
Autor: Karl-Heinz Hofmann
Rothenkirchen, Mittwoch, 23. Sept. 2015
Begehung Das Naturwaldreservat bei Friedersdorf entwickelt sich langsam, aber sicher zum Urwald - mit einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt.
von unserem Mitarbeiter
Karl-Heinz Hofmann
Friedersdorf — Zu einer außergewöhnlichen Exkursion in den "Urwald" hatte Forstdirektor Michael Schneider eingeladen. Die "Ramschleite" nördlich von Friedersdorf ist eines von 159 Naturwaldreservaten in Bayern. Die 24 Hektar große Fläche wurde 1978 als eines der ersten Naturwaldreservate in Bayern ausgewiesen.
Besonderheit dabei ist, dass man dieses Gebiet irgendwann in einem urwaldähnlichen Zustand haben möchte. Dies nicht aus Nostalgiegründen, sondern aus ökologischen und ökonomischen Erwägungen. Aus Anlass der Woche der Naturwaldreservate stellte Michael Schneider das entsprechende Gebiet am Oberhang des Buchbachtales nördlich von Friedersdorf vor.
Neben Vertretern der Politik, der Forstwirtschaft sowie des Natur- und Tierschutzes nahmen auch Waldbesitzer an der Exkursion teil.
In einem Naturwaldreservat laufe die natürliche Waldentwicklung ungestört ab, so der Forstdirektor. Im Laufe der Jahre entstünden so regelrechte Urwälder. Die Wissenschaft sammele begleitend Daten über die Tier- und Pflanzenwelt.
"Naturwaldreservate erfüllen nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und forstpolitische Funktionen", erläuterte Schneider. Die Beobachtung natürlicher Abläufe gebe gerade dem Forstbetrieb wertvolle Hinweise zum nachhaltigen und naturverträglichen Umgang mit dem Ökosystem Wald.
Wie rasant die Entwicklung in den noch jüngeren Reservaten ist, werde auch in der "Ramsch leite" deutlich, meinte der Experte. Die Dynamik einer naturnahen Waldbewirtschaftung erfasse Flora und Fauna. "Solche Wälder sind wichtige Anschauungsobjekte für die Öffentlichkeit, die zunehmend ihr Interesse bekundet.
Deshalb werden Naturwaldreservate in der Waldpädagogik auch als Urwälder zweiter Hand bezeichnet", sagte Schneider.
Peter Hagemann vom Forstbetrieb Rothenkirchen ergänzte, dass sich der Naturschutz im Wald natürlich nicht nur auf Reservate und Schutzgebiete beschränke. So würden zum Beispiel gezielt alte und seltene Waldbestände aus der Nutzung genommen. Für jeden einzelnen Forstbetrieb gebe es ein regionales Naturschutzkonzept, das auf örtliche Gegebenheiten zugeschnitten sei. Sogenannte Methusaleme unter den Bäumen würden nicht mehr gefällt.
In allen Waldbeständen wird Hagemann zufolge der Anteil an Biotopholz erhöht, soweit dadurch keine Borkenkäfergefahr entsteht. Die Biotopbäume würden in allen Waldbeständen markiert und blieben dauerhaft stehen.
Ziele sei, dass in einem Altbestand zehn Prozent aller Bäume "so alt und dick werden dürfen wie sie wollen".
Stefan Hanna-Bökkerink erörterte die Besonderheit der Tier- und Pflanzenwelt im Naturwaldreservat. Der überwiegende Teil der "Ramschleite" wird von artenreichen Buchenwäldern eingenommen. Botanische und zoologische Untersuchungen ergaben den Nachweis für 411 Arten, darunter 22 gefährdete.
Ökologische Besonderheiten sind das Vorkommen der Pestwurzeule, eines Nachtfalters, der in Bayern vom Aussterben bedroht ist, des ebenfalls stark gefährdeten Dukatenfalters und des Kleinschmetterlings "Carocolum albifasciella", der in der "Ramschleite" erstmalig für Bayern nachgewiesen wurde.